Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Heerlager gefahren war, und das krachende Dröhnen des Donners hatten sie völlig unvorbereitet getroffen und ihren feinen Elfensinnen so stark zugesetzt, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Mit letzter Kraft war es ihr gelungen, sich in den Schutz ihres Verstecks auf einem der dicht bewaldeten Hügel am Rand der Finstermark zurückzuziehen, bevor ihr Bewusstsein von einer dunklen Flut mitgerissen worden war.
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit seitdem vergangen war, spürte aber, dass sich etwas verändert hatte. Das unheilvolle Gefühl drohender Gefahr hing fast greifbar in der Luft, und die Elfe wagte nicht, sich zu rühren. Mit angehaltenem Atem und geschlossenen Augen lag sie am Boden und überlegte fieberhaft, wie sie sich verhalten sollte. Doch bevor sie einen Entschluss fassen konnte, verriet ihr ein leise scharrendes Geräusch in unmittelbarer Nähe, dass sie nicht allein war. Eine namenlose Furcht umklammerte Sharis Herz mit eisigem Griff. Wer immer dort neben ihr stand und darauf wartete, dass sie erwachte, konnte kein Freund sein.
Als sie endlich den Mut aufbrachte, die Augen zu öffnen, wünschte sie sich sogleich, es nicht getan zu haben. Weniger als drei Schritte von ihr entfernt saß ein hünenhafter schwarzer Krieger auf einem Felsen. Der unheimliche Blick seiner rot glühenden Augen ruhte mit tödlicher Gelassenheit auf ihr. Er wusste, dass sie erwacht war, rührte sich aber nicht.
Schlagartig wurde Shari klar, wie sehr sie die Gefahr unterschätzt hatte, in der sie sich befand, und wie unendlich dumm es von ihr gewesen war, nicht sofort zurückgekehrt zu sein, um ihr Volk zu warnen. Doch dem Elfenmädchen blieb keine Zeit, über seine Fehler nachzudenken.
Unvermittelt entrang sich ein triumphierender Laut, der nichts Menschliches an sich hatte, der Kehle des Kriegers. Die Eisenringe der schwarzen Rüstung klirrten, und hartes Leder knarrte, als er sich erhob. Langsam kam er auf Shari zu, während er mit einer gewaltigen zweischneidigen Axt zu einem tödlichen Hieb ausholte.
Unfähig, sich zu bewegen, lag die junge Nebelelfe am Boden und starrte mit angstgeweiteten Augen auf die Klinge, die sich unerbittlich auf sie herabsenkte. Die Zeit verlor jegliche Bedeutung; Augenblicke dehnten sich zu Minuten, in denen Shari alle Eindrücke überdeutlich wahrnahm. Sie hörte das Sirren, mit dem das blitzende Metall die Luft durchschnitt, und bemerkte den hasserfüllten Ausdruck in den Augen des Kriegers. Seltsam verzerrt und ungewöhnlich langsam sah sie die messerscharfe Schneide auf ihre ungeschützte Kehle zurasen, während die Bilder all derer, die sie ins Herz geschlossen hatte und nun niemals wiedersehen würde, in hastiger Folge in ihren Gedanken auftauchten. Aus ihrer Kehle löste sich ein letzter verzweifelter Schrei, doch es gab niemanden, der ihr jetzt noch hätte helfen können.
In Erwartung des Todes schloss sie die Augen, aber der Schmerz blieb aus. Mit einem berstenden Laut fuhr die Klinge der Axt kaum eine Hand breit von ihrem Kopf entfernt in den Boden, spaltete Äste und Gestein und bohrte sich tief in die Erde. Es folgte ein dumpfer gurgelnder Laut, und der Boden erbebte unter einer gewaltigen Erschütterung. Dann wurde es ruhig; kein Laut durchbrach die lastende Stille, selbst der Wind schien den Atem anzuhalten. Obwohl Shari ahnte, dass sie dem Tod knapp entronnen war, wagte sie nicht, sich zu bewegen. Insgeheim rechnete sie jeden Augenblick mit einem neuen, todbringenden Angriff, doch nichts geschah. Dafür vernahm sie vor sich in der Dunkelheit plötzlich leise huschende Schritte. Lautlos wie eine Katze näherte sich jemand mit vorsichtigen Bewegungen - ein Elf?
Sharis Herz tat vor Freude einen Satz, doch die ausgestandenen Todesängste hielten sie noch immer fest im Griff und lähmten sie. Wer immer dort herumschlich, war jetzt ganz nahe. Reglos verharrte sie am Boden, die Augen fest geschlossen, während Hoffen und Bangen in ihrem Innern einen heftigen Streit ausfochten.
»Muinthel!« Eine warme, schlanke Hand schob sich sanft unter ihren Kopf, und eine zweite streichelte ihr liebevoll über die Wange. »Mail, nibin muinthel.«
»Naemy?« Shari hatte die Stimme ihrer Schwester sogleich erkannt, doch so gern sie auch daran glauben wollte, dass diese wirklich an ihrer Seite war, so unglaublich erschien es ihr. Vorsichtig öffnete sie die Augen, setzte sich auf und blickte zweifelnd in das vertraute Gesicht. »Bist du es wirklich?«, fragte sie so zaghaft,
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