Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
»Ich liebe dich, Paira«, flüsterte er atemlos. »Ich liebe dich, wie ich nie zuvor geliebt habe, doch um unserer Zukunft willen muss ich allein gehen.« »Wann?«
»Schon morgen. Es ist alles vorbereitet. Sobald die Sonne aufgeht, werde ich in die Valdor-Berge reiten, um dort in einer Hütte nahe des großen Gießbaches zu meditieren und auf eine Vision zu warten.« Er fasste Paira an den Schultern, schob sie ein Stück von sich und sah sie bittend an. »Ich tue es für uns, Paira«, erklärte er ernst. »Für dich und mich - und für unsere Kinder.«
»Ich verstehe dich ja.« Paira wischte sich eine Träne von der Wange; ließ betrübt den Kopf hängen und schwieg. Dann aber straffte sie sich und bemühte sich um ein zuversichtliches Lächeln. »Ach was«, sagte sie betont fröhlich. »Die paar Sonnenläufe sind ja keine Ewigkeit. Und selbst wenn du länger fortbleiben solltest - was ist das schon? Schließlich haben wir noch unser ganzes Leben vor uns, nicht wahr?«
»Ich bin froh, dass du so denkst.« Fedeon atmete erleichtert auf. »Wir kennen und lieben uns schon so lange, dass die kurze Trennung uns gewiss nicht schaden wird.« Er lachte und fügte augenzwinkernd hinzu: »Ich vertraue dir und bin sicher, dass du in der Zeit keinem anderen Mann schöne Augen machen wirst.«
Bei diesen Worten zuckte Paira erschrocken zusammen. Yovan ... Der Name huschte wie eine fast vergessene Erinnerung durch ihre Gedanken. Das schicksalhafte Zusammentreffen mit dem Geschichtenerzähler am Vormittag und die seltsame Erregung, die sie dabei erfasst hatte, kamen ihr wieder in den Sinn. Wie schon am Morgen durchflutete sie aufs Neue eine wohlige Hitze, doch diesmal schämte sie sich für die Gefühle und kämpfte dagegen an. Sie gehörte zu Fedeon, und kein Mann würde daran je etwas ändern.
»O Paira. Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken«, deutete Fedeon ihr abweisendes Verhalten falsch. »Das war doch nur ein Scherz. Ich würde niemals an deiner Treue zweifeln.«
»Ist schon gut.« Paira räusperte sich. Schluss damit! Energisch schob sie die schwärmerischen Gedanken an Yovan beiseite. Um sich abzulenken, ergriff sie Fedeons Hand und zog ihn zu einem mit Stroh und Heu gefüllten Lagerschuppen in der Nähe der Festungsmauer. »Wenn das wirklich unser letzter gemeinsamer Abend für so viele Sonnenläufe ist«, erklärte sie munter, »sollten wir die kostbare Zeit nicht mit trüben Gedanken verschwenden, findest du nicht?« Mit einer Hand schob sie das hölzerne Tor zur Seite und bedeutete dem Skalden mit einem Kopfnicken, ihr zu folgen. Der »Sumpf« und die unerfreulichen Ereignisse des Abends waren vergessen, und auch wenn sich das Bild des Geschichtenerzählers nicht völlig aus ihren Gedanken verbannen ließ, war Paira fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. »Komm«, flüsterte sie verheißungsvoll.
»Wir machen es uns ein wenig gemütlich.«
Naemy und Shari verließen die Hügel am Rande der Finstermark in südlicher Richtung, um so schnell wie möglich von dem gewaltigen Heer fortzukommen. Nur einmal nahmen sie einen kurzen Umweg in Kauf, um Sharis alten Lagerplatz aufzusuchen. Die prall gefüllten Beutel mit den gesammelten Kräutern ließen sie achtlos liegen, doch Naemy, die nur ein Kurzschwert bei sich trug, war froh, als sie Sharis Langbogen und den Köcher mit Pfeilen unversehrt vorfand. Während sie die Waffe schulterte, holte Shari wärmende Decken, verstaute Vorräte in einem Rucksack und suchte eilig alles zusammen, was sich als nützlich erweisen mochte. Bald nachdem sie das Lager erreicht hatten, waren die beiden Nebelelfen mit dem Gepäck schon wieder unterwegs und setzten den Weg ins Grasland fort.
Erst als das Licht der Morgensonne den Horizont über den fernen Gipfeln der Valdor-Berge grau färbte und die Hügelkette im Norden nicht mehr zu sehen war, gönnten sich Naemy und Shari eine Rast. Im Schutz einer verwitterten Hütte, die den Jägern der Graslandbewohner als Zuflucht bei Unwettern diente, setzten sich die Schwestern in das weiche, taufeuchte Steppengras und verzehrten schweigend ein Mahl aus getrocknetem Obst, Nüssen und hartem Brot.
Danach hob Naemy an zu erzählen. In Kürze versuchte sie Shari zu erklären, was geschehen war, seit sie sich vor nahezu dreihundert Sommern zum letzten Mal gesehen hatten. Das war nicht leicht. Zu viel hatte sich in der langen Zeit ereignet, Freudiges und Trauriges, Schreckliches, Grausames. Begebenheiten, die Shari zutiefst
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