Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
leise und sprang vom Pferd, während sie das Kurzschwert aus der Scheide am Gürtel zog und kampfbereit in die Hand nahm. »Dartha si - warte hier!«, befahl sie flüsternd und eilte geduckt auf den nahen Waldrand zu.
Shari schnappte nach Luft und blickte ihr empört nach. Naemy war zwar älter als sie, doch das gab ihr noch lange nicht das Recht, sie wie ein kleines Kind zu behandeln. Argerlich glitt sie vom Rücken des Pferdes und schickte sich an, ihrer Schwester zu folgen. Sie musste unbedingt wissen, was auf der Lichtung geschah, und würde sich auch von einer überbesorgten Schwester nicht davon abhalten lassen, dorthin zu eilen. Aber Naemy war bereits in der Dunkelheit des Dickichts verschwunden. Nirgends konnte Shari einen Hinweis darauf entdecken, welchen Weg sie genommen hatte. Die junge Nebelelfe seufzte und schüttelte betrübt den Kopf, doch dann straffte sie sich.
»Na gut! Wenn sie mich nicht mitnehmen will, werde ich eben allein gehen und nachsehen, was da vorn los ist«, murmelte sie trotzig und bewegte sich nahezu lautlos in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Zunächst nahmen ihr die Bäume und das dichte Unterholz die Sicht, doch schon bald lichtete sich der Wald.
Das Gekreische und Geschrei der seltsamen Vögel war inzwischen zu einem ohrenbetäubenden Lärm angewachsen, der von knackenden Zweigen und scharrenden Geräuschen begleitet wurde. Einmal glaubte Shari einen Mann aufschreien zu hören, doch sie war sich nicht sicher.
Da sie sonst nur ein Kräutermesser bei sich führte, nahm Shari den Langbogen von der Schulter, legte einen Pfeil auf die Sehne und spannte den Bogen. Dann hatte sie die Bäume am Rand der Lichtung erreicht. Immer darauf bedacht, nicht gesehen zu werden, suchte sie Deckung hinter einer dicken Tanne und spähte auf die Lichtung.
In der Nähe eines kleinen Bachs, der sich durch die Lichtung schlängelte, erblickte sie fünf der Furcht erregenden geflügelten Kreaturen, die Naemy »Sucher« genannt hatte. Die echsenähn- lichen Körper schimmerten selbst im spärlichen Mondlicht abstoßend ölig, und obwohl Shari noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt war, konnte sie den scheußlichen Gestank wahrnehmen, der von ihnen ausging.
Drei der geflügelten Echsen umkreisten schreiend ein dichtes Brombeergestrüpp. Immer wieder stießen sie von oben herab, rissen mit Schnäbeln und Klauen lange Ranken aus dem Busch oder bohrten den spitzen Schnabel tief in das Gebüsch hinein.
Zwei weitere Echsenvögel am Boden hatten durch Zerren an Ranken und Asten bereits ein beachtliches Loch in den Busch gerissen. Sie krächzten und fauchten böse, und hin und wieder sprang einer von ihnen so erschrocken zurück, als würde er aus dem Innern des Busches heraus angegriffen.
»Seltsam.« Shari vermutete, dass sich etwas oder jemand im Busch versteckte, doch sie war zu weit entfernt, um erkennen zu können, worum es sich dabei handelte. Ohne den schussbereiten Bogen zu senken, schob sie sich im Schutz des Dickichts näher an die geflügelten Echsen heran.
Plötzlich trat sie mit dem Fuß in die Öffnung eines Baus, den ein kleiner Nager im Dickicht gegraben hatte. Der Eingang war nicht sonderlich groß, doch die tiefe Mulde davor genügte, dass Shari strauchelte. Durch die ruckartige Bewegung glitt ihr der Pfeil aus den Händen, wurde abgeschossen und sirrte auf die flatternden Leiber der Echsenvögel zu.
Shari verharrte wie erstarrt. Ihr Herz raste. Die Zeit verlor ihre Bedeutung, und alle Geräusche verstummten, während sie den Flug des Geschosses mit angehaltenem Atem verfolgte. Mit unwirklicher Langsamkeit suchte sich der Pfeil einen Weg über die Lichtung und flog unaufhaltsam auf den Brombeerstrauch zu. »Flieg vorbei!«, betete Shari in Gedanken, doch vergebens.
Nur wenige Herzschläge, nachdem er die Sehne verlassen hatte, bohrte sich der Pfeil in den Flügel eines der Echsenvögel, der mit einem schaurigen Schmerzenslaut zu Boden stürzte. Die übrigen Sucher hielten jählings inne und blickten sich erregt um.
Shari rührte sich nicht. Sie spürte, wie die Blicke der Vögel am Rand der Lichtung auf und ab wanderten, und obwohl ein dicker Baumstamm sie verbarg, wusste sie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer der Sucher sie entdecken würde. Eine dumpfe Ahnung raunte ihr zu, dass Echsenvögel mit ihren winzigen Augen weit mehr zu sehen vermochten als andere Geschöpfe. Als durchdrängten ihre Blicke den Stamm, fühlte das Elfenmädchen das unangenehme Prickeln
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