Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Ranke. Sie wusste, dass sie bemerkt worden war, und gab sich keine Mühe mehr, leise zu sein. Das wäre wohl auch nicht möglich gewesen. Jetzt half nur noch rohe Gewalt, um sich des hinterhältigen Angreifers zu entledigen. Verärgert zog sie ihr Messer und durchtrennte die hoffnungslos verfilzten Haare mit einem kurzen Schnitt. Das löste sie aus dem Gestrüpp.
»Komm heraus und zeig dich!«, rief sie der Gestalt im Busch ungehalten zu, aber nichts geschah.
»Es hat keinen Sinn, sich weiter zu verstecken«, rief Naemy erneut. »Ich habe dich gesehen und weiß, dass du dich in dem Busch versteckst. Wenn du ein Freund bist, hast du nichts zu befürchten. Wenn du dich jedoch weigerst, freiwillig herauszukommen, werden wir dich dazu zwingen.« Sie hob das Schwert und bedeutete Shari, den Bogen zu spannen.
Auf der Lichtung war es still. Nur der Ruf eines Käuzchens hallte einsam durch die Nacht. Naemy wartete, erhielt aber keine Antwort.
»Ich warne dich. Meine Geduld ist bald am Ende«, drohte sie. »Komm heraus, oder unsere Pfeile werden dir ein wenig nachhelfen.«
»Oh, bitte n i c h t . . . nicht schießen!«, ertönte plötzlich eine schwache männliche Stimme aus den Schatten des Brombeerstrauchs. »Ich würde ja herauskommen, aber meine Kleider . . . sie hängen in den Dornen fest.« Er verstummte und stöhnte gequält. »Außerdem bin ich . . . verletzt und kann mich nicht allein ... befreien.«
»Komm, wir müssen ihm helfen!«, raunte Shari Naemy zu. Sie senkte den Bogen und wollte zu dem Gebüsch eilen, doch Naemy hielt sie zurück. »Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?«, rief sie dem Mann zu.
»Bei meiner Ehre als Skalde, ich sage die Wahrheit!«, erwiderte der Unbekannte. »Ich . . . Mein Name ist Fedeon. Ich komme aus Nimrod. Ich . . . Ich bin unbewaffnet. Bitte helft mir. Wenn ich ein Messer hätte, hätte ich mich doch längst befreit.« Er ächzte wie unter großen Schmerzen.
»Nun gut, ich vertraue dir.« Naemy senkte das Schwert und nickte Shari zu. »Wir helfen dir, aber ich warne dich: Wenn du gelogen hast, wirst du es bitter bereuen.«
Asco-Bahrran hatte jedes Zeitgefühl verloren. Es war gut möglich, dass erst ein oder zwei Sonnenläufe vergangen waren, seit er an die Tür der Hütte geklopft hatte, in der er seinen Freund zu finden gehofft hatte, doch es mochten auch zehn oder zwanzig gewesen sein. Er wusste weder, wie lange er nach dem ersten Fausthieb die Besinnung verloren hatte, noch, wie oft die Sonne seitdem auf- und untergegangen war. Hin und wieder hatte man ihm Wasser eingeflößt und Stücke eines trockenen, säuerlich schmeckenden Brotes in den Mund geschoben, doch jedes Mal, wenn er zur Besinnung gekommen war, hatte ihn ein Faustschlag wieder dorthin versetzt, wo es weder Hunger noch Durst noch Schmerzen gab.
Diesmal aber war der Schlag ausgeblieben, und Asco-Bahrran nahm seine Umgebung mit zunehmender Deutlichkeit war. Obwohl seine Lippen trocken und der Magen leer waren, zog er es vor, sich weiterhin besinnungslos zu geben, in der Hoffnung, auf diese Weise einer neuerlichen Misshandlung zu entgehen. Er musste unbedingt herausfinden, was die fünf schwarzen Krieger mit ihm vorhatten. Die riesenhaften Geschöpfe mit den eberähnlichen Gesichtern waren Furcht erregende Kreaturen, die unmöglich einer in Thale lebenden Rasse angehören konnten. Ihre Sprache setzte sich aus gutturalen Knurrlauten zusammen, die für den Magier keinen Sinn ergaben, und ihr Verhalten war so abscheulich, dass selbst er Todesängste empfand. Und das zu Recht. Die Krieger waren rücksichtslos, grausam und blutgierig, so viel hatte er in den wenigen wachen Augenblicken der Gefangenschaft mitbekommen. Ihre Nahrung bestand ausschließlich aus rohem Fleisch, und Asco-Bahrran war sicher, dass sie auch vor dem Verzehr von Menschen nicht zurückschreckten.
»Vielleicht diene ich ihnen als lebender Proviant«, schoss es ihm durch den Kopf. Der Gedanke ließ ihn erschauern, und obwohl er ihn hastig wieder zu verdrängen suchte, setzte er sich hartnäckig fest.
1
Um sich abzulenken, unterzog Asco-Bahrran seinen Körper vorsichtig einer kurzen Kontrolle. Er war gefesselt und lag auf dem nassen, durchweichten Steppenboden. Seine Kleidung war klamm, verdreckt und zerrissen und stank so erbärmlich nach Schweiß, Schmutz und Exkrementen, dass einem davon übel werden konnte.
Die Stricke an Händen und Füßen schnitten ihm tief in die Haut, aber er spürte keine Schmerzen.
Finger
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