Die Sakristei Des Todes
Kerzenleuchter
gefunden, und Mylord Coroner hat ihn begutachtet und als
Beweismittel akzeptiert. Drittens«, fuhr er fort und ignorierte das
herablassende Lächeln der beiden Inquisitoren, »Bruder Roger ist
tot, aber er hat keinen Selbstmord begangen. Er wurde stranguliert,
und dann ließ man es so aussehen, als habe er sich erhängt.
Viertens: Sein Tod und die übrigen Todesfälle stehen in einem
Zusammenhang mit den Angelegenheiten dieses Kapitels, auch wenn ich
noch nicht weiß, wie und warum. Nun könnte ich jeden hier, auch den
Pater Prior, auffordern, Rechenschaft abzulegen über alles, was er
an den Tagen gemacht hat, als Bruno, Roger und Callixtus starben;
aber Blackfriars ist ein großes Kloster mit weitläufigen
Liegenschaften. Man würde eine Ewigkeit brauchen, um die Fakten zu
untermauern, falls das überhaupt möglich ist.«
»Du erwähnst Alcuin nicht?« Bruder
Niall ergriff das Wort, und sein schroffer Tonfall verriet seinen
singenden gälischen Akzent.
»Ja«, fügte Eugenius an. »Woher
sollen wir wissen, daß nicht Alcuin der Mörder ist? Vielleicht
lauert er immer noch irgendwo in Blackfriars. Du sagst schließlich
selbst, Athelstan, daß dies ein weitläufiges Kloster ist; hier gibt
es Nischen und Winkel, die selten oder nie jemand
betritt.«
»Unsinn!« schnappte
Anselm.
»Nein, Pater Prior, Eugenius hat ja
recht«, sagte Athelstan. »Bruder Alcuin ist noch hier; ich fürchte
allerdings, er ist tot.«
»Wo denn?« riefen alle im
Chor.
»Pater Prior, wann wird die
Requiemmesse für Roger gesungen?«
»Heute mittag. Wir können nicht bis
morgen warten. Die Kirche ist da sehr streng. Sonntags dürfen keine
Totenmessen gesungen werden.«
»Dann bestehe ich darauf, Pater
Prior, daß die Beerdigung am Montag
stattfindet.«
»Wieso?«
»Weil ich möchte, daß das
Grabgewölbe unter dem Chor geöffnet und Brunos Sarg herausgehoben
wird. Wenn er geöffnet ist, werden wir Bruder Alcuin
finden.«
»Sakrileg!« rief der Großinquisitor.
»Grabschändung! Athelstan, du wandelst auf sehr dünnem
Eis.«
»Ein Sakrileg, guter Inquisitor, ist
eine Frage des Willens - wie jede Sünde. Ich will aber Bruder Bruno
nichts Böses antun - Gott schenke ihm die ewige Ruhe.« Athelstan
appellierte an den Prior. »Ihr habt mich hergerufen, damit ich die
Wahrheit herausfinde und ein schreckliches Geheimnis aufkläre.
Bruder Brunos Sarg muß geöffnet werden.«
»Wir erheben Einspruch!« riefen die
beiden Inquisitoren. Der Prior klopfte wieder auf den Tisch. »Ich
wüßte nicht, was gegen Athelstans Wunsch einzuwenden wäre. Die
Sache muß geklärt werden. Wenn du unrecht hast, Bruder, dann ist ja
nichts verloren. Aber wenn es stimmt, was du sagst, dann kommen wir
hier vielleicht ein wenig weiter.« Pater Anselm griff nach einer
kleinen Glocke und läutete. Ein Diener kam herein, und Anselm
flüsterte ihm Anordnungen zu. Der Mann starrte ihn erschrocken und
überrascht an.
»Tu, was ich sage«, befahl der
Prior. »Sag Bruder Norbert Bescheid, und hol dir noch zwei andere.
Laß dir von ihnen Stillschweigen schwören, und dann führt ihr meine
Anordnungen aus.«
Als der Diener gegangen war, schaute
Anselm in die Runde. »Gibt es noch etwas, Athelstan?«
»Ja, Pater, aber Sir John und ich
müssen Euch unter vier Augen sprechen.«
»Warum?« fragte William de Conches.
»Als Großinquisitor verlange ich, dabeizusein.«
»Darauf gebe ich einen
Schweinearsch, Mann!« sagte Cranston. »Dies ist ein englisches
Kloster; auch wenn es dem kanonischen Recht untersteht, gilt hier
das Gesetz der Krone. Als oberster Justizbeamter des Königs in
dieser Stadt verlange ich, den Pater Prior allein zu
sprechen.«
»Einverstanden«, sagte Pater Anselm
knapp. »Brüder, wir treffen uns im Chor.«
Athelstan wartete, bis die Tür sich
hinter den anderen geschlossen hatte.
»Was gibt es, Bruder?« fragte der
Prior.
»Pater Prior, der Name Hildegarde
läßt mich nicht los. Wen gibt es in
Blackfriars, der mit diesem Namen etwas anfangen
könnte?«
»Das ist kein englischer Name«,
fügte Cranston hinzu. »Ich sehe oft Listen mit Namen von
Geschworenen und Steuerzahlern. Hildegarde ist deutsch.«
Der Prior rieb sich die Augen. »Wer,
glaubst du, könnte sie sein, Athelstan?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht eine
Äbtissin oder eine der Heiligen.«
»Ich weiß von keiner Verehrung für
eine Frau mit diesem Namen. Aber wir haben einen alten Gelehrten
hier, Bruder Paul. Erinnerst du dich an ihn, Athelstan? Inzwischen
ist er
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