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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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krank, halb erblindet und bettlägerig. Die meiste Zeit liegt
er im Spital. Aber kommt mit. Sein Verstand ist noch scharf, und
vielleicht setzen wir seine Erinnerung in Gang.« Der Prior führte
sie durch den Kreuzgang und eine kleine Seitenpforte in einen
Blumengarten, dann in das zweistöckige Spitalhaus. Es roch süß nach
zermahlenen Kräutern, Seife und Stärke, aber Athelstan witterte
auch den bitteren Duft gewisser Tränke. Der Krankenbruder führte
sie die Treppe hinauf in einen langen Raum mit Betten zu beiden
Seiten; jedes Bett war hinter einem Vorhang verborgen. Anselm
flüsterte dem Krankenbruder ein paar Worte zu, und dieser deutete
auf einen Alkoven am anderen Ende, der durch ein weißes,
grüngesäumtes Tuch an einer glänzenden Messingstange vom Rest des
Raumes abgeteilt war. »Dort findet Ihr Bruder Paul. Er ist guter
Dinge. Man hat ihm versprochen, daß er eine Weile im Garten sitzen
darf.« Gefolgt von Athelstan und Cranston, ging Anselm über den
blankpolierten Fußboden. Der Prior zog das Tuch beiseite. Da lag
ein alter Mann, den Kopf auf einem Polsterkissen. Das Haar rings um
seine Tonsur war schneeweiß, das Gesicht schmal, und die einst
leuchtenden Augen über den hohen
Wangenknochen waren jetzt milchig weiß überzogen.
    »Wer ist da?« Seine Stimme klang
überraschend kraftvoll. »Der Pater Prior. Ich habe zwei Freunde
mitgebracht, Sir John Cranston und den jungen Athelstan.« Cranston
gab seinem Begleiter einen Rippenstoß. »Der junge Athelstan!«
flüsterte er spöttisch.
    »Cranston, ich kenne Euch.« Bruder
Paul drehte den Kopf. »Ich habe oft in den Gefängnissen gearbeitet,
in Newgate, Fleet und Marshalsea, und verurteilten Verbrechern die
Beichte abgenommen. Wißt Ihr, daß sie alle immer sagten, Ihr wärt
ein Schweinehund?« Die Lippen des alten Ordensbruders teilten sich
zu einem zahnlosen Lächeln. »Wohlgemerkt«, ergänzte er, »ein
gerechter, ja, sogar ein mitfühlender Schweinehund.«
    Cranston drängte an den anderen
vorbei und hockte sich neben das Bett.
    »Natürlich«, sagte er leise, »ich
kenne Euch auch. Der Ordensbruder, der immer darauf bestand, daß
Fälle noch einmal aufgerollt wurden. Ihr habt manch einen vor dem
Henkersstrick bewahrt.«
    Der alte Ordensbruder lachte
gackernd, streckte die Hand aus und ließ sie Sir John auf die
Schulter fallen. »Schlank und rank wie früher, Sir John.« Pater
Paul nahm die Hand wieder weg. »Athelstan, wo bist du, du junger
Taugenichts?«
    Athelstan umfaßte die fleckige, von
Adern überzogene Hand des Alten, und die Tränen traten ihm in die
Augen, denn er erinnerte sich an Pater Paul; er war alt gewesen,
als Athelstan sein Noviziat begonnen hatte, aber tatkräftig und
flink, mit scharfem Verstand und spitzer Zunge. Er hatte die
Novizen in Philosophie, Theologie und den Fächern des Quadriviums
unterrichtet.
    »Wir studieren immer noch die
Sterne, was, Bruder?« Athelstan streichelte die Hand des alten
Mannes. »Ich werde mich immer daran erinnern, wir Ihr die Psalmen
zitiert habt, Pater Paul: ›Wer kann erkennen die Wege des Herrn?
Wie der Himmel und seine Lichter hoch über der Erde sind, so sind
Seine Wege hoch über uns.«‹ »Du hast falsch zitiert!« blaffte der
alte Ordensmann. »Du warst immer ein Träumer. Aber gut - was wollt
ihr von mir, einem kranken, alten Mann?«
    »Sagt Euch der Name Hildegarde
etwas?« Bruder Paul wieherte vor Lachen. »Seid ihr hier, um die
Sünden meiner Jugend auszugraben?« schnaubte er. »Meine Augen sind
dahin, Bruder Athelstan, aber mein Gedächtnis ist immer noch gut.
Hildegarde ist ein Frauenname. Ich entsinne mich deiner, mit deinen
dunklen Augen und deinem weichen Herzen. Erinnerst du dich noch,
was ich dir über die Liebe gesagt habe? Wie furchtbar es für einen
Priester sein kann, wenn er einer Frau begegnet, die er wirklich
liebt?« Der alte Bruder wandte sich ab, und seine Knochenfinger
tasteten nach seinen Wangen. »Ich kannte einst eine Frau namens
Hildegarde. Sie hatte das Gesicht eines Engels, aber ihr Herz war
böse wie die Sünde.« Er lachte. »Aber das ist bestimmt nicht die
Hildegarde, die ihr sucht. Die ihr meint, ist eine deutsche Frau,
eine Äbtissin, die vor hundertzwanzig oder hundertfünfzig Jahren
gelebt hat.« Er schwieg und starrte blicklos zur Decke. »Was kannst
du uns sonst noch erzählen?« drängte der Prior.
    Der Alte schüttelte müde den Kopf.
»Ich gar nichts, Pater Prior, aber die Bibliothek kann es sicher.
Ja, ja, schaut in der Bibliothek nach.«

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