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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Wand der Apsis. Er hatte eine Idee.
»Unsinn!« flüsterte er und hielt die Finger an die Lippen. »Oh,
mein Gott, natürlich! Natürlich!« Er verschränkte die Arme, um
seine Erregung im Zaum zu halten, und wartete geduldig, bis die
Andacht zu Ende war. Als die Mönche hintereinander hinausgingen, um
im Refektorium zu frühstücken, eilte Athelstan hinüber zum
Gästehaus. »Sir John!« rief er, zur Tür hereinstürzend. »Cranston,
Ihr habt jetzt lange genug geschlafen.«
    Er hörte ein lautes Krachen. Der
Coroner kam die Treppe heruntergepoltert wie ein großes
Faß.
    »Bei den Zitzen des Satans!«
donnerte er. »Darf ein armer Justizbeamter nicht mehr schlafen?« Er
rieb sich das schlaftrunkene Gesicht und spähte Athelstan an. »Du
hast etwas herausgefunden, nicht wahr, du verfluchter
Mönch?«
    »Ja, Sir
John.«    
    Cranston schnürte sich die Beine
seiner Reithose zu und kam in die Küche
getappt. Athelstan begriff plötzlich, daß er Sir John zum ersten Mal ohne Stiefel sah; in seinem
flatternden Hemd, der ausgebeulten Reithose
und den bestrumpften Füßen sah der Coroner
mehr denn je aus wie einer seiner kleinen
Söhne.
    »Was grinst du da,
Mönch?«
    »Sir John. Setzt Euch.«
    »Ich habe Hunger!«
    »Sagt Eurem Bauch, er soll
warten.«
    »Dann wenigstens ein bißchen
Met?«
    »Nicht auf leeren Magen, Sir John.
Was würde Lady Maude dazu
sagen?«
    »Scheiß drauf!«
    »Soll ich ihr das
ausrichten?«
    Cranston kaute auf seinem
Daumennagel. »Ein bißchen Ale mit Wasser; dann höre ich dir
zu.«
    Athelstan brachte ihm das Gewünschte
und erzählte ihm dann, zu welchen Schlüssen er im Chor hinter dem
Altar gelangt war. Der Coroner hörte zu und klopfte ihm dann
liebevoll auf die Schulter.
    »Genau das dachte ich auch«,
behauptete er. »Ich hatte mich gefragt, ob ich in dieser Richtung
weiterforschen sollte, aber es kam mir so bizarr vor. Na, jetzt
aber hopplahopp zum Pater Prior. Wir brauchen seine
Erlaubnis.«
    »Noch nicht, Sir John. Erst nach der
None.« Cranston stand auf. »Wenn das so ist, will ich meine
Waschungen vornehmen und frühstücken. Bist du dabei?«
    »Nein, Sir John. Ihr könnt der Küche
sagen, Ihr wollt für uns beide essen.«
    Cranston stieg lärmend die Treppe
hinauf, um sich zu waschen und anzukleiden; unterdessen begann
Athelstan, das Pergament zu studieren, das Fitzwolfe ihm am Tag
zuvor gegeben hatte. Die Eintragungen waren ziemlich traurig und
bemitleidenswert und erinnerten ihn an seine eigenen Bemühungen;
allerdings hatte Pater Theobald anscheinend wenig Sinn für das
Organisatorische gehabt. Er war ein müder, kranker Mann gewesen,
dessen Hauptinteresse seinen Begräbnispflichten gegolten hatte, dem
Bau des Totenhauses auf dem Kirchhof und den behelfsmäßigen
Reparaturen am Kirchendach. Schließlich aber kam Athelstan zu
einigen anderen Eintragungen: Offenbar war Pater Theobald im Chor
gestürzt, und dann fanden sich Notizen über den Einkauf von
Steinplatten bei A.Q.D. Athelstan warf einen Blick auf das Datum:
September 1363. Es folgte eine Serie von anderen Zahlungen: »Für
das Verlegen von Bodenplatten im Chor, 6 Pfund Sterling an A.Q.D.«
Athelstan fuhr mit dem Finger an dieser und anderen Eintragungen
entlang. »Ja, ja«, flüsterte er. »Aber wer ist A.Q.D.?« Wieder kam
ihm ein Gedanke, und er prüfte die Eintragungen bis Januar 1364. Er
suchte nach Zahlungen für Messen, die Pater Theobald für
Verstorbene gelesen hatte. Aber unter den Namen fand sich keine
junge Frau, die krank geworden, zu Tode gekommen oder auf
mysteriöse Weise verschwunden war.
    Er schob das Manuskript von sich und
nickte geistesabwesend, als Cranston ihm zubrüllte, daß er zum
Essen hinübergehe. Er wartete, bis die Tür hinter dem Coroner ins
Schloß gefallen war; dann stand er auf, ging nach oben und legte
sich hin. Cranston würde eine Weile wegbleiben, und Athelstan
wollte die Ereignisse des vergangenen Tages in Ruhe überdenken.
Etwas von dem, was er gesehen oder gehört hatte, hatte in seinem
Gedächtnis eine Saite zum Klingen gebracht - aber was? Er kehrte
zurück zu dem Zeitpunkt, da sie Rogers Leichnam im Obstgarten
gefunden hatten, und bedachte dann die Ereignisse des restlichen
Tages. Endlich hatte er es gefunden und lächelte überrascht.
Natürlich! Er ging wieder nach unten und schaute in Pater Theobalds
Journal nach. Dann sprang er auf und klatschte in die Hände wie ein
Kind. »Natürlich!« murmelte er. »Natürlich! Nimm das weg, und alles
andere stürzt ein!«
    Athelstan

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