Die Sakristei Des Todes
Seine Hand sank herunter.
»Im Laufe der Jahre«, wisperte er, »habe ich den Namen
kennengelernt, aber ich kann euch nicht sagen, warum.«
Athelstan nahm seine Hand und
drückte sie sanft. »Ich danke Euch, Pater
Paul.«
Der alte Ordensbruder zog Athelstan
am Handgelenk zu sich heran. »Möge der Herr dich behüten. Möge Er
dir sein Antlitz zeigen und lächeln. Möge Er dich segnen und dich
alle Tage deines Lebens bewahren.«
Er ließ los, und leise verließen sie
das Spital. Athelstan erkannte schuldbewußt, wieviel er dem Leben
in Blackfriars verdankte und wieviel er davon vergessen hatte.
Draußen im Blumengarten blieb Cranston bewundernd vor einem
Rosenbusch in voller Blüte stehen. Athelstan nahm den Arm seines
Oberen und flüsterte eindringlich: »Pater, wir haben jetzt eine
Reihe von Verbindungen; Callixtus und Alcuin sind durch den Namen
Hildegarde miteinander verknüpft. Callixtus wurde in der Bibliothek
getötet, aber nicht durch einen Unfall, sondern durch einen Schlag
mit einem Kerzenleuchter. Um es gleich zu sagen: Ich glaube, daß
Callixtus nach einem Buch oder einem Traktat im Zusammenhang mit
dieser Hildegarde gesucht hat.« Athelstan schwieg einen Augenblick.
»Pater, ich glaube, der Name Hildegarde liegt all den Mordtaten,
die hier begangen wurden, zugrunde.«
Pater Prior holte tief Luft und
schaute in den blauen Himmel hinauf. »Ich sehe diese Verbindungen
wohl, Bruder Athelstan, aber was im Namen unseres gütigen Herrn hat
Hildegarde mit der Sitzung des Generalkapitels zu tun?« Hilflos hob
er die Hände. »Du hast unsere Bibliothek gesehen, Bruder. Regal um
Regal voller Bücher, manche drei-, vierhundert Seiten dick. Ein
Leben lang könnte man da suchen. Und woher sollen wir wissen, daß
der Mörder nicht schon gefunden hat, was Callixtus
suchte?«
»Das hat er vielleicht, aber laßt
uns zuversichtlich sein. Wenn er es nicht gefunden hat, dann
verstellen wir ihm jetzt den Weg. Jede
weitere Suche in der Bibliothek würde unsere Aufmerksamkeit
erregen.«
Cranston trat zu ihnen, eine
frische, taufeuchte Rose in der Hand. »Ich habe gehört, was Ihr
gesagt habt, Pater Prior, aber laßt einmal den alten Sir John das
Messer der Logik ansetzen. Callixtus stand oben auf der Leiter,
nicht wahr?« Rasselnd holte er Luft. »Er suchte also nach einem
Buch auf dem obersten Regal. Wir wissen ungefähr, wo die Leiter
stand.« Cranston schob den mächtigen Bauch vor. »Ergo«, fuhr er fort, Athelstan
imitierend, »liegt die Schlußfolgerung auf der Hand. Callixtus kann
durchaus in einem der Bücher etwas über die berühmte Hildegarde
entdeckt haben. Nun können wir nicht unsere Zeit in der Bibliothek
verbringen, denn dann würde unser Wild uns wittern. Aber dieser
prachtvolle Laienbruder, der mich mit Met versorgt… wie heißt er
gleich?«
»Norbert.«
»Ja. Den nehmen wir.«
Der Prior war einverstanden, und sie
kehrten zum Hauptgebäude des Klosters zurück; Anselm schickte einen
Bediensteten zu Norbert und bat ihn, in die Bibliothek zu kommen.
Sie fanden das Scriptorium und die Bibliothek fast verlassen; die
wenigen Mönche, die hier still ihrer Arbeit nachgingen,
verschwanden auf Ersuchen des Priors. Bruder Norbert kam nach
kurzer Zeit atemlos zu ihnen. Athelstan faßte den jungen
Laienbruder beim Arm und führte ihn zu der Stelle, wo Callixtus
gelegen hatte; dann schaute er zu den Regalen hinauf, die vor ihnen
aufragten.
»Norbert, wenn wir unsere Arbeit in
der Kirche beendet haben, möchte ich, daß du alle Bücher aus den
oberen drei Borden herunterholst.« Er deutete hinauf. »Aber nur
die. Sie müssen - einzeln, falls nötig - ins Gästehaus
hinübergeschafft werden, ohne daß dich dabei jemand sieht. Hast du
verstanden?«
Der junge Laienbruder nickte, und
Athelstan rieb sich die Hände.
»Gut.« Er sah seine Gefährten an.
»Ich bin sicher, daß Bruder Norbert den Mund halten kann. Und jetzt
kommt; die anderen in der Kirche müssen vor Ungeduld schon fast
vergehen.«
Athelstan hatte recht. Die übrigen
Angehörigen des Generalkapitels saßen leise murrend auf den
Sitzbänken des Chores, und ein schwitzender, rotgesichtiger
Laienbruder war hinter dem Altar damit beschäftigt, die
Steinplatten über dem Grabgewölbe herauszuhebeln. Norbert half ihm
dabei. Der Prior plauderte ein Weilchen, bis ein
schweißüberströmter Laienbruder rief: »Pater Prior, wir sind
soweit!« Athelstan, Cranston und die anderen gingen um den
Hochaltar herum. Rogers Sarg war beiseite geschoben
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