Die Sakristei Des Todes
er
immer wieder die Darstellung des Geheimnisses, die Cremona ihm
gegeben hatte, und je häufiger er sie las, desto tiefer wurde seine
Niedergeschlagenheit. Voll von Ale und Selbstmitleid verließ er
schließlich die Schenke und machte sich trübselig auf den Heimweg.
Nicht einmal die Aussicht auf Maudes liebes Gesicht oder seine
beiden Kleinen, Francis und Stephen, konnte seine finstere Stimmung
heben.
*
Bruder Athelstan stand früh auf. Es
war eine klare Nacht gewesen, und er hatte mit Vergnügen den Himmel
studiert, während Bonaventura, der zunehmend fette Kirchenkater,
neben ihm hockte und ihn neugierig beäugte. Nachher hatte Athelstan
sein Teleskop und die Sternenkarten in die einzige verschließbare
Kiste im kleinen Pfarrhaus gelegt und war dann hinüber nach St.
Erconwald gegangen, um, immer noch begleitet von Bonaventura, die
Vesper zu beten. Danach war er wieder nach Hause gegangen, um ein
wenig helles Bier zu trinken und ein Stück Brot, mit Honig
bestrichen, zu essen, Bonaventura seine Milch zu geben und zu Bett
zu gehen.
Bruder Athelstan war zufrieden mit
sich; leise sang er ein Lied aus Kindertagen, während er sich
wusch, rasierte und sein schwarzweißes Gewand anlegte. Der getreue
Bonaventura reckte sich neben ihm, gähnte und leckte sich den
Schnurrbart mit seiner kleinen rosaroten Zunge in hoffnungsvoller
Erwartung eines Tellers Fisch und eines Schälchens Milch. Athelstan
zog das kleine Handtuch glatt und legte es über den hölzernen
Waschständer; er bückte sich, streichelte den Kater und kraulte ihn
sanft zwischen den Ohren, bis Bonaventura vor Behagen
schnurrte.
»Ihr werdet fett, Master Kater. Je
länger ich Euch ansehe, desto mehr muß ich an Cranston denken.«
Bonaventura schien zu grinsen und schmiegte sich an ihn. »Du wirst
wirklich fett, Bonaventura«, wiederholte Athelstan. »Ich werde dich
heute morgen nicht füttern. Du wirst dir dein Frühstück jagen
müssen.«
Athelstan schaute sich in seiner
kleinen, kärglich eingerichteten Schlafkammer um. Er strich die
Roßhaardecke über dem Bettgestell glatt, kippte sein Waschwasser
zum Fenster hinaus und sprang zurück, als er draußen ein wütendes
Grunzen hörte. Er schaute hinaus; die fette Sau, die Ursula, der
Schweinehirtin, gehörte, spähte zu ihm herauf. Athelstan fluchte
leise und warf die Fensterläden zu. Er haßte das verdammte Schwein;
es schien eine beinahe dämonische Intelligenz zu besitzen. Sobald
der Kohl und das andere Gemüse, das Athelstan sorgfältig aussäte,
zu sprießen begann, kam das verfluchte Tier und tat sich daran
gütlich. »Ob Huddle mir wohl einen Zaun bauen würde?« dachte
Athelstan und zuckte die Achseln. Dann wiederum - für Huddle hatte er anderes zu tun, und den Raubzügen
des Schweins in seinem kleinen Gemüsegarten zum Trotz empfand
Athelstan einen sanft wärmenden Triumph. Heute, am sechsten Sonntag
nach Ostern im Jahr 1379, würden die Arbeiter mit dem Umbau des
Chores beginnen. Sie würden den Lettner abbauen, die gesprungenen,
vollgesogenen Steinplatten herausreißen und neue verlegen,
sorgfältig behauen und schwarz und weiß gestrichen. Athelstan war
es gleich, daß Sonntag war; das war der beste Tag zum Arbeiten und
äußerst angemessen für den Beginn eines neuen Versuchs zur
Verschönerung des Gotteshauses.
Sein Liedchen summend, vergewisserte
er sich, daß die Truhe mit den astrologischen Karten und dem
Teleskop fest verschlossen war. Dann ging er die wacklige Treppe
hinunter zur Küche. Bonaventura folgte ihm mit hochgerecktem
Schwanz so ehrerbietig wie ein Ministrant in der Heiligen Messe.
Die Küche war so kahl wie Athelstans Schlafkammer; sie enthielt nur
ein paar Schränke, einen Tisch und einige Stühle. Ein kleines Feuer
glomm noch im Herd und erwärmte langsam einen Topf mit Suppe, die
Athelstan seit Freitag kochte. Benedicta hatte ihm geraten,
Fleischbrühe nicht wegzuwerfen, sondern sie zu kochen, zu würzen
und ein paar Tage sieden zu lassen, bis sich eine überaus
appetitliche Suppe ergäbe. Athelstan, ein hoffnungsloser Koch, war
entzückt von den würzigen Düften, die jetzt die Küche erfüllten. Er
ging in die kleine Speisekammer, schnitt ein Stück Brot ab und
schenkte sich einen Becher verdünnten Wein ein. Bonaventura folgte
ihm und blickte flehentlich hoch. »Keine Milch, Bonaventura«, sagte
Athelstan knapp. Der Kater schnurrte und rieb sich an seinem Bein.
»Also gut«, gab Athelstan nach. Er nahm einen irdenen Krug und goß
ein wenig Rahm in eine Schale auf
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