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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Glöckner, der in
seinen kleinen Alkoven ging und anfing, die Glocke zur Messe zu
läuten. Crim sauste wie eine Fliege zwischen Sakristei und Altar
hin und her und bereitete alles für die Messe vor. Wasser für das
Lavabo, Wein und Hostien für Opferung und Wandlung, das große
Meßbuch mit dem entsprechenden Lesezeichen für diesen Tag, ein
Tuch, an dem Athelstan sich die Hände trocknen konnte. Auf ein
feierliches Kopfnicken des Priesters hin wurden Kerzen zu beiden
Seiten des Altars aufgestellt; die Dochte wurden geputzt und
angezündet - zum Zeichen dafür, daß die Messe gleich beginnen
würde. Athelstan ging zur Sakristeitür und schaute in die Kirche
hinaus. Dies würde das letzte Mal sein, daß er die Messe im alten
Chor las. Er hatte die Erlaubnis des Bischofs von London bekommen,
den Altar und den Chorstein zu entfernen und Huddles Lettner für
eine Weile abzubauen, so daß der alte Chor aufgerissen und mit
neuen Steinplatten ausgelegt werden konnte. Er sah zu, wie Mugwort
am Glockenseil riß; das verzerrte Gesicht des Mannes leuchtete vor
Freude, während er die Glocke läutete wie ein verrückt gewordener
Geist. Athelstan grinste bei sich. Ob die Leute zur Messe kamen
oder nicht, wenn Mugwort fertig wäre, würde jeder im Umkreis von
einer Meile wissen, daß Sonntag war und Zeit zum Gebet.
    Nach und nach kamen seine
Gemeindemitglieder herein. Der erste war Watkin, der Mistsammler,
Küster der Kirche und Leiter des Gemeinderates: ein
furchterregender, stämmiger Mann; sein Gesicht war voller Warzen,
aus seinen Nasenlöchern wuchsen schwarze Haare, der Blick war
scharf und ausdrucksstark. Hinter ihm kam seine noch
furchterregendere Frau; ihr Gang erinnerte Athelstan immer an einen
Ritter in voller Rüstung. Die Flamin Pemel war die nächste; ihr
weißes Gesicht war halb irre, und ihre Augen blickten starr,
während sie mit sich selbst über dies oder jenes
brabbelte.
    Ranulf, der Rattenfänger, folgte mit
zweien seiner Kinder. Athelstan mußte ein Grinsen hinter der
vorgehaltenen Hand verbergen, denn die Kinder waren schwarz
gekleidet wie der Vater und trugen Teerkappen, die ihre blassen,
verkniffenen Züge verbargen; alle drei sahen genauso aus wie die
Nagetiere, die Ranulf fangen sollte. Der Mann merkte, daß Athelstan
ihn ansah, und grinste wissend, und der Priester erinnerte sich an
sein Versprechen: Wenn der neue Chor fertiggestellt wäre, würde St.
Erconwald die Zunftkirche der neugebildeten Gilde der Rattenfänger
werden.
    Noch mehr Pfarrkinder kamen, geführt
von Huddle, dem Maler, mit dem verträumten Ausdruck auf seinem
kindlichen Gesicht. Der Künstler — was er konnte, hatte er sich
selbst gelehrt - ging geradewegs zu seinem neuesten Gemälde; es war
eine leuchtend farbige Darstellung von Daniel in der Löwengrube.
Als nächstes kam Tab, der Kesselflicker, der immer noch an den
Folgen des Ale zu leiden hatte, das er am Abend zuvor im Übermaß
getrunken hatte. Pike, der Grabenbauer, kam, anscheinend als
Anführer einer Zwergenarmee. Irgendwie hatte es sich ergeben, daß
er die Verantwortung für seine eigene große Brut und für Tabs
Sprößlinge zu tragen hatte.
    Athelstan beobachtete Pike
aufmerksam. Er wußte, daß der Grabenbauer mit radikalen
Bauernführern innerhalb und außerhalb der Stadt befreundet war, von
denen bekannt war, daß sie unablässig Aufruhrpläne schmiedeten. Was
Athelstan indessen größere Sorgen machte, war der Umstand, daß Pike
zusammen mit der blonden, liebreizenden Kurtisane Cecily einen
Anschlag auf Watkins Stellung als Vorsitzender des Gemeinderates
plante. Athelstan seufzte, denn wenn das geschähe, würde ein
wütender Machtkampf losbrechen. Die Witwe Benedicta kam, bekleidet
mit einem hellblauen Rock und weißem Schleier über dem
nachtschwarzen Haar.
    Athelstans Herz klopfte ein bißchen
schneller, und er schlug die Augen nieder, denn er liebte die Witwe
mit einer unschuldigen Leidenschaft, die manchmal beide in
Verlegenheit brachte.
    Benedicta schloß die Tür und winkte
ihm zu; dann trat sie hastig beiseite, als die Tür wieder
aufgestoßen wurde und Ursula, die Schweinehirtin, gefolgt von ihrer
bösartig dreinblickenden Sau, hereingewatschelt kam. »Ich schlachte
das verfluchte Schwein!« knurrte Athelstan leise. »Ich schlachte
es, und dann esse ich ein Jahr lang Schweinebraten.«
    Ursula aber lächelte ihm zuckersüß
zu und hockte sich neben einen Pfeiler, und die Sau quetschte sich
zwischen sie und Watkin. Athelstan mußte sich schon wieder auf

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