Die Salzbaronin
gegenüber keinen Ton verlauten lassen. Wie kommt sie darauf?« Krampfhaft versuchte er, sich das Tischgespräch ins Gedächtnis zu rufen, in dem ein, zwei Sätze über die polnische Art, Salz abzubauen, gefallen waren. An Martins genauen Wortlaut konnte er sich nicht mehr erinnern. War das nicht alles völlig nebensächlich gewesen? Welche Fäden hatte Dorothea aufgenommen und heimlich weitergesponnen? Und wieso war sie damit nicht zu ihm gekommen? Er hatte das Gefühl, als würden seine eigenen Gedanken verschwimmen.
»Es wird höchste Zeit, dass das Weib unter die Haube kommt. Ein Jäger ohne Hund ist wie ein Fass ohne Spund, heißt es. Aber ein Weib ohne Ehegatten ist wie … ach!« Er winkte verächtlich ab, unfähig, einen passenden Vergleich zu finden. »Dann kann Alexander ihr die Flausen austreiben!« Frederick starrte wütend auf die Tür, durch die seine Tochter wutentbrannt verschwunden war.
Georg schaute auf. Nun war es also aus mit Dorotheas Narrenfreiheit! Sie musste Vater sehr geärgert haben, dass es soweit gekommen war. »Was bezweckt sie mit ihrer Eigenmächtigkeit? Habe ich denn nicht deutlich genug mein Interesse klargemacht, die Saline Rehbach in ein Heilbad umzubauen?« Seine Stimme überschlug sich fast.
»Jetzt komm du mir auch noch mit neumodischem Firlefanz! Rehbach ein Heilbad - die Weinlaune von gestern kann doch nicht dein Ernst gewesen sein!« Frederick schüttelte den Kopf, sein Blick noch verärgerter als zuvor. »Du meine Güte, soweit ist es gekommen, dass ich mir von meinen Kindern Geschichten erzählen lassen musst!« Er blickte Georg direkt in die Augen. »Du bist mein Nachfolger. Du bist der nächste in unserer langen Tradition. Also verhalte dich auch entsprechend!«
Georgs Lachen klang bitter. Was sollte das heißen? Sollte er sich vielleicht genauso wenig um die Saline kümmern wie Frederick? Sollte er sich ebenfalls einen kostspieligen Zeitvertreib suchen, dem er statt dessen seine ganze Aufmerksamkeit widmete?
»Ich weiß, dass es dir am liebsten wäre, wenn in Rehbach alles seinen alten Gang liefe - und das für alle Ewigkeit. Aber wie du sehr richtig bemerkt hast, bin ich nun derjenige, der für Rehbach verantwortlich ist.« Er musste das Zittern in seiner Stimme loswerden! »Deshalb bitte ich dich, dir wenigstens anzuhören, was ich zu sagen habe.« Er machte eine Pause. »Martin ist der festen Überzeugung, dass sich Rehbach für ein Heilbad besonders eignet. Die Lage am Fluss, die Nähe zur Stadt, unsere Sole … alles Pluspunkte, sagt er.«
»Wie stellst du dir das vor?« Frederick runzelte die Stirn. »Nach fünfhundert Jahren Salinenbetrieb willst du zumachen, weil >die Lage< reizvoll für irgendwelche eingebildeten Kranken sein könnte?«
Georg seufzte. Genau das hatte er erwartet. Vielleicht hätte er doch Martin zu diesem Gespräch dazubitten sollen. Er hatte schließlich Erfahrung genug darin, Salinenbesitzer von einem Neuanfang zu überzeugen. Dass er seinem Vater dennoch allein gegenübergetreten war, lag einzig und allein an der Tatsache, dass er ihn gut genug kannte: Frederick würde nichts dabei finden, Georg in Anwesenheit seines Gastes abzukanzeln wie einen dummen Schulbuben! Und darauf hatte Georg weiß Gott keine Lust!
Frederick begann, an den Fingern seiner rechten Hand abzuzählen: »Was willst du mit den Arbeitern machen? Wer sagt ihnen, dass ihr Lebensunterhalt von einem Tag auf den andern nicht mehr existieren wird? Wird unser eigener Lebensunterhalt gesichert sein? Und wie könntest du damit leben, eine jahrhundertelange Tradition so einfach zu brechen?« Von Satz zu Satz wurde sein Gesicht röter. »Wenn
Dorothea mit unausgegorenen Vorschlägen zu mir kommt - das kann ich zur Not noch hinnehmen. Aber du?« Abfälligkeit und Fassungslosigkeit stritten in Fredericks Worten um den Vorrang.
Georg schüttelte den Kopf. »Du meine Güte, dass es mit der Saline so wie bisher nicht mehr weitergehen kann, musst dir doch einleuchten!« sagte er ärgerlich. »Sogar Dorothea hat längst erkannt, dass die Holzkosten uns auffressen! Sie wird nicht müde, mir das immer wieder aufzuzeigen. Von Jahr zu Jahr sind sie gestiegen - Alexander hin oder her.« Er zog die Nase hoch. »Du warst doch gestern abend dabei, als er wieder einmal von seinem ewigen Wald träumte! Natürlich forstet er nach, doch was er jährlich abholzt, braucht Jahrhunderte, um wieder nachzuwachsen. Nur soviel zu schlagen, wie nachwächst, ist nicht mehr als eine billige Illusion. Und
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