Die Salzbaronin
kostet…«, flüsterte sie rauh, ihr Gesicht in die gleißende Sonne haltend. Sie würde sich nichts wegnehmen lassen. Nie und nimmer.
Mit dem unbeschwerten Schritt eines jungen Mädchens auf dem Weg zu seinem Angebeteten lief sie nach Hause. Es war an der Zeit, Informationen zu sammeln.
15
Dorothea fand das Haus leer vor. Wo sich Viola und Elisabeth aufhielten, interessierte sie nicht. Die Männer waren wohl allem Anschein nach gemeinsam auf die Jagd gegangen, was Dorothea als ein gutes
Zeichen wertete: So wichtig konnte Georg seine neueste folie also nicht sein! Hätte er nicht sonst jede freie Minute genutzt, um mit diesem Richtvogel seine Pläne zu besprechen? Ha, was ihm an Zielstrebigkeit fehlte, würde sie durch doppelt soviel davon wettmachen!
Mit zusammengerafften Röcken ging sie auf Zehenspitzen die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf. Im Gegensatz zu Georg hatte sie keine Zeit zu verlieren! Unter den geschlossenen Türen blinzelte schmal das Sonnenlicht durch. Alles war still. Weder Luise noch ihre beiden Töchter, die immer dann aushalfen, wenn sich Gäste auf Rehbach angesagt hatten, waren zu hören oder zu sehen. Dorothea warf einen Blick auf die Wanduhr, die am Treppenaufgang hing. Es war kurz vor zwölf Uhr, die Zimmermädchen sollten also mit ihren Säuberungsarbeiten fertig sein und nun in der Küche helfen. Hätte sie eine getroffen, sie hätte sie davongejagt! Vorsichtig, als handele es sich um glühendes Eisen, drückte Dorothea den Türgriff nach unten. Offen! Ein gutes Omen! Gott sei Dank hatte dieser Richtvogel seine Zimmertür nicht abgeschlossen.
Dorothea zog die Tür hinter sich zu und blieb für einen Augenblick stehen. Das Zimmer glich den anderen Gästezimmern - von den dunkelroten Samtvorhängen über die rot-grün gestreiften Sessel bis hin zu dem schweren Bettüberwurf, der ebenfalls in dunklem Rot gehalten war. Im Winter waren die Schlafzimmer heimelig, die dichten Vorhänge hielten Zugluft und Kälte ab, und die dick gepolsterten Sessel luden zum Verweilen ein. Jetzt aber, im Sommer, drohte einem das Rot die Luft zu nehmen, und über den Sesseln tanzten im Sonnenlicht dichte Staubwolken. Martin Richtvogel schien die Einrichtung jedoch alles andere als erdrückend zu empfinden, ganz im Gegenteil: Er hatte sich so häuslich eingerichtet, dass Dorothea das Schlimmste zu befürchten begann. Sie ging zum Bett. Auf dem kleinen Schränkchen daneben hatte Richtvogel eine Reiseuhr aufgestellt, dazu eine Öllampe - du meine Güte, der Mann war wirklich für jede Lage ausgestattet! - Augengläser und ein Stapel Bücher. Noch mehr Bücher und mindestens zwei Dutzend in festen Karton gebundene Akten hatte er in vier Stapeln auf dem Salontisch zwischen den beiden Sesseln aufgebaut. Für einen Reisenden erstaunlich viel Gepäck! Dorothea spürte, wie ein Anflug von Panik sie überfiel. Wo sollte sie anfangen? Sie konnte doch nicht Buch für Buch und Akte für Akte durchsuchen, bis sie endlich auf die Information stieß, die sie sich erhoffte? Wenn jemand sie hier erwischte - sie würde für alle
Zeiten eine Erklärung schuldig bleiben! Dorothea spürte, dass sich ihr Kiefer verkrampfte. Sie biss ihre Zähne aufeinander, dass sie knirschten.
Sie ging zu einem der Sessel, setzte sich und griff nach dem obersten Buch des einen Stapels. Sie schlug die erste Seite auf. Nun wisset weiter vom Salz, dass das Salz ein irdischer Balsam des Menschen und aller Dinge ist. Denn wo nicht Salz ist, da beginnt die Fäulnis. Eine Abhandlung von Paracelsus, dem großen Arzt des Mittelalters. Achtlos blätterte Dorothea das Werk durch, bevor sie es schnell wieder aus der Hand legte.
Auch das nächste Buch im Stapel schien ihr wenig hilfreich zu sein, es war ein Nachdruck des hippokratischen Heilsystems. Darin wurde dem Leser empfohlen, zur Behandlung von Milzerkrankungen eine Mischung aus zwei Dritteln Kuhmilch und einem Drittel Salzwasser täglich, und zwar auf nüchternen Magen, zu trinken.
Danach warf sie nur noch einen Blick auf die jeweils erste Seite der Bücher - alle hatten mit ärztlichen Abhandlungen zu tun, und alle beschäftigten sich in irgendeiner Form mit Salz. Neben den alten Schriften waren auch Werke zeitgenössischer Ärzte und Wissenschaftler darunter. Im vierten und letzten Stapel fand Dorothea sogar ein Buch, das Richtvogel selbst geschrieben hatte. Auch darin ging es um Heilbehandlungen mit Salz. Richtvogel hatte sich allerdings auf Hautkrankheiten spezialisiert. Dorothea wühlte
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