Die Salzbaronin
ausgeliefert.« Sie starrte hilfesuchend zu ihrer Schwägerin auf. »Was, wenn ich nie …«
Dorotheas Augen funkelten. »Sprich doch mal mit diesem Richtvogel! Er rühmt sich doch so sehr, ein Arzt für alle Fälle zu sein, und…« Sie schüttelte den Kopf. »Was rede ich für einen Unsinn. Mein lieber Bruder würde es sicher gar nicht schätzen, wenn du seinen über alles verehrten Freund nach ärztlichem Rat fragst! Wo er doch selbst so viel Wichtigeres mit Richtvogel zu besprechen hat.« Sie zog die Nase hoch. »Das Palaver über Heilbäder ist ja auch viel unverbindlicher und weitaus weniger persönlich als die Unfruchtbarkeit der eigenen Frau!«
Elisabeth zuckte zusammen, als hätte ein spitzer Pfeil sie ins Fleisch getroffen. Wahrscheinlich fiel Dorothea gar nicht auf, wie unsensibel ihre Direktheit war.
»Andererseits …« Dorothea runzelte die Stirn. »Es könnte ja auch an Georg liegen, dass …«
Elisabeth gab einen zischenden Laut von sich wie eine erschrockene Gans. »Dorothea! Wie kannst du so etwas sagen! Noch sind es die Frauen, die die Kinder bekommen, oder?« Wenn sie allerdings ehrlich war, hatte sie auch schon einmal in diese Richtung gedacht, aber das würde sie nie gegenüber Dorothea zugeben.
»Ich weiß jemanden, der dir helfen kann.«
Unter Dorotheas fixierendem Blick kam Elisabeth sich vor wie das Kaninchen mit der Schlange. »Wer sollte mir schon helfen können?« Nicht nur ihre Miene war skeptisch.
Doch wenige Minuten später gingen die beiden Frauen gemeinsam zielstrebig auf das Ende des Gartens zu.
18
Als Rosa die beiden Frauen auf sich zukommen sah, wurde sie von zwiespältigen Gefühlen überfallen. Auf der einen Seite war da der Wunsch, ihren Korb mit Wasserminze stehenzulassen, ins Haus zu gehen und den Riegel vorzuschieben. Doch die beiden hatten sie längst gesehen. Außerdem spürte sie etwas wie Neugier aufflackern. Was wollten sie bei ihr? Immer wieder hatte Rosa nach dem zufälligen Zusammentreffen an der Hecke an Dorothea denken müssen: an deren Reaktion, als sie geglaubt hatte, Rosa hätte ihren Boden betreten. Als ob er dadurch zerstört würde!
Als Dorothea nun die letzten Schritte auf die Heilerin zukam, trug sie wieder denselben hochmütigen Gesichtsausdruck. Sie warf energisch ihren geflochtenen Zopf über die Schulter.
Rosa richtete sich unwillkürlich auf. Es kam nur alle Schaltjahre einmal vor, dass sie einem von der Grafenfamilie gegenüberstand. Das versprach interessant zu werden.
Nach einem kurzen Gruß stellte Dorothea die andere Frau als die Gattin ihres Bruders vor.
Rosa quittierte die Ansprache mit einem stillen Nicken.
»Ich weiß, dass du heilkundig bist und dich mit Kräutern aller Art auskennst.« Dorotheas Blick war herausfordernd.
Rosa schwieg weiter.
»Ich weiß auch, dass unsere Leute zu dir kommen, wenn sie etwas brauchen. Ein Mittelchen oder ein Pülverchen vielleicht.«
Rosa musste ein Grinsen unterdrücken. Die gnädige Frau war bei weitem nicht so sicher, wie sie tat - mit den Salzleuten mochte sie ja lieb Kind sein, mit ihr jedoch nicht! Spöttisch sagte Rosa: »Und jetzt brauchen auch Sie ein Pülverchen? Wie kommt denn das, wo Sie doch bisher auch ohne mich ausgekommen sind?«
Dorothea lachte gekünstelt, ging jedoch nicht auf den herausfordernden Ton ein. »Ein Pülverchen? Eine Medizin?« Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Zauber? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass du die Richtige bist für Elisabeths Misere.« Sie schob die andere nach vorn.
Ungeniert und gebannt starrte die Frau des jungen Grafen Rosa an, als würde sie von ihr die Erfüllung ihrer tiefsten Wünsche erhoffen.
Rosa erkannte das tiefe Unglück, das sich hinter der Verzückung der anderen verbarg. »Wie sollte ich Ihnen helfen können?« fragte sie
Elisabeth und formulierte dabei unbewusst deren Zweifel. Bei jedem aus der Saline wäre sie wahrscheinlich freundlicher und zuvorkommender gewesen, aber in Dorotheas Gegenwart hatte sie das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen.
Elisabeth ließ ihren Blick durch Rosas Hütte schweifen, über die Feuerstelle, um die wie immer Körbe voller Kräuter standen, über die Hühner, deren Gefieder in der Herbstsonne wie Kupfer glänzte.
Georgs Gattin war magerer als die meisten der Salinenarbeiterinnen, und ihr Aussehen war kränklicher als das der Frauen, die Tag für Tag in der salzfeuchten Luft der Sud-und Trockenhäuser verbringen mussten. Ein Zauber - pah! Eine kräftige Suppe, gekocht aus Wurzelgemüse
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