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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hinausgeschoben. Sie war sogar schon Götz ausgewichen, um seinen fragenden Blick wenigstens für einen Tag los zu sein. Beides entsprach nicht ihrer Art und trug nicht dazu bei, dass sie sich wohler fühlte. Wie ein Feigling war sie sich vorgekommen.
    Und nun hatte ein lächerlicher, gewöhnlicher Reitunfall ihren Vater das Leben gekostet.
    Dorothea spürte etwas Heißes auf ihren Wangen und stellte erstaunt fest, dass es Tränen waren. Doch sie galten nicht der Trauer um ihren Vater. Es war vielmehr die Trauer um einen Teil ihrer Unschuld, die sie an diesem Tag verloren hatte. Denn Dorothea stellte fest, dass sie nur eines beim Anblick des Toten verspürte: Erleichterung.
    Unendliche Erleichterung.
    Frederick würde ihren Plänen nicht mehr im Wege stehen.

33
    Vier Tage später wurde Graf Frederick von Graauw beerdigt. Da es keine Kirche in Rehbach gab, sollte der Trauerzug vom Herrenhaus aus in Richtung Saline ziehen, dort umkehren und sich danach rund um die Familiengruft am südlichen Ende des Graauwschen Gartens aufstellen. Es war Dorothea, die den Weg festgelegt hatte, so wie sie sich auch um jedes andere Detail gekümmert hatte. Nachdem festgestanden hatte, dass es unmöglich war, Georg vom
    Tod seines Vaters in Kenntnis zu setzen, weil sein derzeitiger Aufenthaltsort in Österreich oder Ungarn unbekannt war, hatte Viola nur noch stumm die Hände knetend Totenwache gehalten. Dass Frederick in Abwesenheit seines Sohnes beerdigt werden musste, dass Vater und Sohn in dieser Stunde nicht beieinander sein konnten, hatte ihr Herz ein zweites Mal gebrochen. Jedes bisschen Leben schien aus ihr gewichen zu sein.
    Natürlich war Alexander sofort gekommen und hatte seine Hilfe angeboten, doch Dorothea hatte abgewinkt. Ihren »Zukünftigen« mochte sie jetzt am allerwenigsten um sich haben.
    Es war Dorothea gewesen, die die Nachricht zu den Nachbargütern geschickt hatte. Es war Dorothea gewesen, die einen Reiter zu Elisabeths Eltern geschickt hatte und einen weiteren, um den Pfarrer aus der Stadt zu holen. Als der Gottesmann die Witwe fragte, ob der Tote im geöffneten Sarg zur Gruft getragen werden sollte, damit die Rehbacher Abschied nehmen konnten, hatte diese nur hilflos zu Dorothea geblickt. Nein, ihr Vater werde nicht öffentlich zur Schau gestellt, hatte sie bestimmt.
    Am Abend zuvor hatte sie Götz aufgesucht und ihn gebeten, allen Rehbachern - eine Notbesetzung für jedes Sudhaus, die die Feuer am Brennen halten sollte, ausgenommen - für den Vormittag von Fredericks Beerdigung freizugeben.
    Keiner hatte gemerkt, wieviel Kraft es Dorothea kostete, alle diese Entscheidungen zu treffen. Dabei war ihr Kopf so voll mit anderen Dingen.
    Die Schlange der Abschiednehmenden war lang und bestand zum größten Teil aus Fredericks Jagdkameraden. Alexander von Hohenweihe und sieben weitere Männer jüngeren Alters hatten es sich nicht nehmen lassen, seinen Sarg zu tragen. Es war ein schlichter Totenbaum, für den Alexander eine seiner älteren Eichen hatte fällen lassen - dies war der einzige Gefallen, um den Dorothea ihn gebeten hatte. Der saftige Geruch des frischen Holzes passte weder zum Anlass noch zu dem kalten Wintertag, doch diejenigen, die Frederick gut genug gekannt hatten, wussten, dass ihm sein letztes Bett gefallen hätte. Mehr als einmal hatte der Tote - meist nach einigen Krügen Wein - verlauten lassen, dass er viel lieber inmitten seines geliebten Waldes begraben werden wollte statt in der Gruft, in der sämtliche Graauws vor ihm unter einem mit Engel bekränzten Baldachin ruhten. Auch gegenüber Viola hatte Frederick dies geäußert, doch Dorothea hatte auf einer Weiterführung der Familientradition bestanden, und Viola hatte nicht dagegengehalten.
    Die Gesichter der Leute wirkten verunsichert und angespannt - doch Dorothea wusste, dass dafür weniger die Trauer um den alten Grafen verantwortlich war als vielmehr die Angst, was dessen Tod für sie bedeuten könnte. Dass Georg nicht da war, beunruhigte die Leute ebenfalls. Die Kinder schauten mit großen Augen zu, wie ihre Väter oder Großväter - jeweils der älteste Mann einer Familie - in Salzgefäße griffen und geweihtes Salz auf den Boden warfen, kurz bevor der Trauerzug passierte. Diese Salzfässchen waren Heiligtümer! In jeder noch so erbärmlichen Hütte hatten sie einen Ehrenplatz und wurden nur zur Geburt eines Kindes hervorgeholt. Es musste also etwas Wichtiges vorgehen, wenn der Vater so außer der Reihe das weiße Gold verstreute.
    Als

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