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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Kerzenschein fiel denen doch nicht einmal auf, wenn Vollmond war!
    Sie, und ein Kind! Noch immer konnte und wollte sie sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden. Dass sie nie zuvor an die Möglichkeit, in andere Umstände zu geraten, nachgedacht hatte, war ihr inzwischen unerklärlich. Sie konnte es lediglich der Tatsache zuschreiben, dass sie keinen Monatsfluss hatte so wie andere Frauen. Von ihrer Mutter wusste sie, dass dies bei Heilerinnen oft der Fall war - auch Harriet war von der blutigen Flut verschont geblieben, die anderen Weibern so viel Kraft raubte. Laut Harriet waren Heilerinnen nun einmal nicht wie andere Frauen, sie hatte betont, dass Freya so dafür sorgte, dass weise Frauen kinderlos blieben. Nun, bei ihrer Mutter und nun auch bei ihr selbst hatte Freyas Macht nicht ausgereicht, das Unvermeidliche zu verhindern. Wie auch? In der ganzen Pflanzenwelt gab es kein Kraut, das eine Empfängnis verhindert hätte! Es gab lediglich das eine oder andere Mittelchen, um eine Frucht abgehen zu lassen: Der bittere Wermut, das Hexenmehl, die Samen des Klatschmohns, Bärmutz oder das so unschuldig wirkende Gänseblümchen: Rosa hatte mehr als genug Kräuter, die sie aus einem ihrer kleinen Beutelchen hätte ziehen können. Doch seltsamerweise war ihr dieser Gedanke nur einmal durch den Kopf geflogen. Irgend etwas in ihr sträubte sich bei dem Gedanken, einen Eingriff gegen das Kind in ihrem Bauch zu unternehmen.
    »Das Kind in meinem Bauch«, hörte sie sich probeweise laut sagen. Der Satz passte nicht zu ihr. Weder fühlte sie es in sich, noch brachte sie ihm gegenüber irgendwelche Gefühle auf. Wieviel anders hätte Elisabeth reagiert! Diese Ironie des Schicksals! Da hatte sie jedes nur mögliche Mittel aus ihrem Kräuterschatz geopfert, um Elisabeths Leib bereit zu machen, Georgs Samen aufzunehmen. Und was war statt dessen geschehen? Er ging in ihr selbst auf. Wie würde Elisabeth darauf reagieren? Würde für sie eine Welt zusammenbrechen? Und wie würden die Leute im Dorf reagieren? Noch war ihr nichts anzusehen. Wenn sie es schlau anstellte und weite Kittel und Schürzen trug, würde sie die Schwangerschaft noch lange verheimlichen können. Aber irgendwann würde das Kind hinauswollen …
    Abrupt stand Rosa von ihrem warmen Platz am Feuer auf und ging hinüber zum Fenster. Es war beschlagen. Mit den Fingerspitzen wischte sie eine kreisrunde Fläche frei und starrte hinaus. Elisabeth hatte sich für heute angemeldet, und als Rosa eine dunkle Gestalt auf ihre Hütte zurennen sah, nahm sie an, dass es die Gräfin war. Warum hatte sie es wohl so eilig? schoss ihr durch den Kopf. Hatte sie womöglich Nachricht von Georg erhalten? Rosa ging zur Tür und hoffte, dass ihr Gesicht nichts von ihrer inneren Gier verriet, die sie beim Gedanken verspürte, gleich etwas von Georg zu hören. Doch es war nicht Elisabeth, die laut keuchend vor ihrer Tür stand.
    »Schnell, komm!« schrie ihr ein junger Mann entgegen, den Rosa nur vom Sehen kannte. Er war Jagdhelfer von Georgs Vater. Soviel Rosa wusste, war er im letzten Jahr aus einem der Nachbardörfer aufs Gut Graauw gekommen und hatte um die Stelle des alten Joachim gebeten, der wegen seiner Hüfte nicht mehr mit dem Grafen ausreiten konnte. Er war ein großer, kräftiger Kerl mit bester Gesundheit, und er hatte sie noch nie besucht, so dass…
    »Verdammt noch mal, Weib! Bist du nicht ganz bei Sinnen, oder warum stehst du hier und träumst?« Er packte Rosa am Ärmel und schüttelte sie grob.
    Rosa schaute ihn an und stellte fest, dass es nicht Schweiß war, der über sein Gesicht lief, sondern Tränen. Der Junge weinte! »Pack zusammen, was du brauchst, um einem Verletzten zu helfen!« schrie er Rosa an und stieß die Tür auf. »Der Graf ist vom Pferd gestürzt!
    Gleich da hinten.« Er zeigte mit dem Arm in Richtung Wald. »Zum Arzt ist’s zu weit. Du musst helfen!«
    Ohne ein weiteres Wort warf Rosa ein paar leinene Tücher, die Flasche Arnikatinktur, eine Kamillensalbe und noch ein paar andere Dinge in ihren Kräuterkorb und rannte hinter dem Jungen her. Er war so schnell, dass sie keine Möglichkeit hatte, zu fragen, wie der Unfall geschehen war und in welchem Zustand sich der Graf befand. Würde sie helfen können?

32
    Dorothea kauerte neben der alten, gefallenen Eiche, den Kopf ihres Vaters auf ihrem Schoß. Sein Leib war der Länge nach ausgestreckt, er sah entspannt aus, heil, unverletzt. Seine elfenbeinfarbenen Reithosen hoben sich von dem Boden ab, der wegen

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