Die Salzbaronin
krächzte Götz und räusperte sich mehrmals. Wenn ihm jetzt seine Stimme wegblieb …
Nicht nur über den Zeitpunkt, sondern vor allem auch über die Art seiner Rede hatten er und Dorothea gestritten, doch auch in diesem Punkt hatte er sich durchgesetzt. Nun konnte er nur hoffen, dass seine Vorgehensweise die Leute überzeugen würde.
»Verdammt, ich konnte nicht früher weg!« sagte Dorothea anstelle einer Begrüßung, als sie mit wehendem Mantel den Kiesweg heraufkam. »Viola hat sich an mich geklammert wie eine Ertrinkende!« Noch ehe Götz ihr eine Hand reichen konnte, war sie ohne Hilfe auf das Podest gestiegen. Unbefangen schaute sie in die Runde, winkte dem einen oder anderen zu und schaute dann Götz so erwartungsvoll an wie alle anderen. »Auf was wartest du noch?«
Er musste grinsen. Sie verstand ihre Sache! Jeder hatte ihre Ankunft mitbekommen, und doch spielte sie sich nicht in den Vordergrund und überließ statt dessen ihm das Feld.
Ohne dass er die Leute ausdrücklich auffordern musste, kehrte Ruhe ein. Götz räusperte sich ein letztes Mal.
»Es kommt nicht oft vor, dass die Rehbacher Öfen stillstehen«, begann er und zeigte über die Köpfe der Leute hinweg in Richtung der Sudhäuser. Wie erwartet, erntete er damit einige Lacher. Keiner konnte sich nämlich daran erinnern, dass die Öfen je verwaist gewesen waren.
»Es musst also etwas ziemlich Wichtiges sein, was ich euch zu sagen habe.« Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da spürte er schon Dorotheas kratzigen Widerstand neben sich. »Ich und die Salzbaronin!« korrigierte er sich, woraufhin neuerliches Lachen die Runde machte. Er wurde lauter: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht - welche wollt ihr zuerst hören?«
Stirnrunzelnd schaute Dorothea ihn an. »Was soll das?« zischte sie ihm zu. »Bist du hier zum Schabernackmachen?«
Die Leute redeten durcheinander. »Schlechte Nachrichten?« - »Was ist passiert?« - »Wieso eine gute und eine schlechte Nachricht?«
»Was wirst du schon für gute Nachrichten haben?« höhnte Hermann Lochmüller, der sich von hinten bis zum Podest vorgedrängt hatte.
»Die schlechte Nachricht ist…« Götz machte eine Pause und ließ seinen Blick über die Gesichter der Leute schweifen, »dass Georg von Graauw die Saline schließen will!«
So, das war’s! Er hatte den Vogel abgeschossen!
Ein Entsetzensschrei ging durch die Menge, Hände wurden vor den Mund geschlagen, Augen, groß und rund, schauten Götz an. Fast hätte er lachen müssen, wäre nicht alles so ernst gewesen: Die Rehbacher waren so berechenbar! Jede Regung konnte er vorhersagen, jede ihrer Antworten. Er schaute Dorothea an und sah erst jetzt die dunklen Halbkreise unter ihren Augen. »Du siehst müde aus!« raunte er ihr zu, unwillkürlich die vertrauliche Anrede benutzend.
»Glaubst du, die letzten Wochen waren eine Erholung für mich?« flüsterte sie, nicht weiter auf seine Vertraulichkeit eingehend. »Mach weiter!« Sie nickte in Richtung Zuhörer.
Mit einer einzigen Handbewegung brachte Götz die Rehbacher zum Schweigen. »Die gute Nachricht ist die« - wieder eine Kunstpause - »dass wir uns das nicht gefallen lassen werden!« Er streckte seine zur Faust geballte Rechte in die Höhe. Doch statt mitzujohlen, warfen ihm die anderen verunsicherte Blicke zu. »Und die Salzbaronin wird uns dabei helfen!« Er schob Dorothea einen Schritt auf dem Podest nach vorn. Als er spürte, wie verkrampft ihr Rücken war, musste er gegen den Impuls ankämpfen, ihre Anspannung mit seiner Hand wegzustreichen. Sie war halt doch nur ein Weib, mochte sie auch noch so bärbeißig tun.
»Aber wie?« - »Was ist denn eigentlich geschehen?« - »Warum will der Graf Rehbach zumachen?« - »Was soll aus uns werden?« - »Wo ist der junge Graf überhaupt?«
Nun war genug gespielt, beschloss Götz und klärte die Leute mit kurzen, für jeden verständlichen Sätzen über ihre Lage auf: darüber, dass das Holz für die Öfen so teuer geworden sei, dass es sich die Graauws einfach nicht mehr leisten konnten, so weiterzumachen wie bisher. Darüber, dass Georg deshalb Rehbach zu einem Heilbad umbauen wolle und dass sie dann alle ohne Brot und Arbeit wären. »Deshalb ist er verreist, der gnädige Herr!« schrie er in die Runde. »Weil er für seine Idee Geldgeber sucht! Und wenn er die findet, dann …« Er nickte bedeutungsvoll. Auf einmal sprachen alle durcheinander.
»Seid still, Leute!« Dorotheas Stimme kam für die Versammelten so
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