Die Salzbaronin
antwortete er ungerührt. »Ich hab’ nämlich keine Lust darauf, von irgendwelchen Gendarmen abgeholt zu werden, wenn Ihr Vater sieht, was wir gegen seinen Willen veranstalten.«
Dorothea presste die Lippen zusammen und versuchte, das Rasen in ihrer Brust zu einer erträglichen Geschwindigkeit zu drosseln. Sie ging ein paar Schritte um Götz herum. »Warum musst es gerade Salz sein?« fragte sie, auf seine Forderung zurückkommend. Sie hatte noch nicht zugestimmt! »Ich zahl’ dich, und zwar gut! Von mir aus können sogar die Leute während der Bohrarbeiten mehr Lohn haben«, bot sie ihm an, nicht wissend, wovon sie ihn oder überhaupt irgend jemanden zahlen sollte. Sie war zwar die Tochter des reichsten Mannes weit und breit, aber sie selbst besaß keinen Pfennig. So war das, wenn man ein Weib war, aber das würde sie ihm bestimmt nicht auf die Nase binden! Ein Stich durchfuhr ihren Oberköper, und sie hielt den Atem an, bis der Schmerz vorüber war.
»Mit Geld ist es nicht getan, verehrte Salzbaronin!« Götz hob entschuldigend die Arme. »Das weiße Gold ist das einzige, was zählt, und das wissen Sie selbst am besten. Ginge es mir ums Geld allein, hätt’ ich mein Glück längst woanders versucht.«
Dorothea schaute ihn an und wusste, dass er die Wahrheit sprach. Und sie wusste außerdem, dass sie würde teilen müssen.
31
Als Rosa sich am Heiligen Abend endlich ihre eigene Schwangerschaft eingestanden hatte, hatte ihr das alle Kraft geraubt. Deshalb hatte sie Georg abreisen lassen, ohne ihm von dem Kind zu erzählen, das in ihrem Bauch war. So lächerlich es sich anhörte, aber es hatte sich einfach nicht ergeben. Gleichgültig, wie Georg sich nach ihrer Eröffnung auch verhalten hätte, es wäre über ihre Kräfte gegangen. Zum einen war es natürlich die Tatsache selbst, die sie erschreckte. Sie und ein Kind? Wie oft hatte Harriet ihr klargemacht, dass dies nicht zu einer Heilerin passte!
Zum anderen erschütterte sie ihre Blindheit, als es um ihr eigenes Leben gegangen war. Bei anderen Weibern reichte ihr ein Blick, um zu wissen, ob ein Samen in ihnen aufging oder nicht. Dabei hätte sie nicht einmal sagen können, woran sie es erkannte. War da etwas in den Augen einer werdenden Mutter? Bewegte sie sich anders? Roch sie anders? Oder war es das alles zusammen, was Rosa gern das »Umschweben« nannte? Dieses Gefühl, das sie am Heiligen Abend in ihrer Hütte wahrgenommen hatte und das sie in ihrer Blindheit Elisabeths magerem Leib zugesprochen hatte …
Sie legte einen Holzscheit nach und sah zu, wie unter ihm tausend kleine Funken in die Höhe stoben.
Im Gegensatz zu ihr schien Elisabeth sehr gut ohne ihren Gatten auszukommen. Ob es am Hartheu lag, das Rosa ihr gegeben hatte, damit sie sich täglich einige Tassen Tee daraus braute, oder an der Tatsache, dass mit Georgs Abwesenheit auch der Druck, schwanger zu werden, von ihr genommen worden war, wusste Rosa nicht. Tatsache war, dass sie Elisabeth noch nie so frohgemut erlebt hatte! Mit fast religiöser Besessenheit machte sie täglich ihre Bäder, trank ihre Tees und ging in zwei Mäntel gehüllt draußen spazieren - alles Dinge, zu denen Rosa ihr geraten hatte, in der Hoffnung, sie würden ihren verkrampften Leib entspannen und für den männlichen Samen empfänglich machen. Nun, da kein Samen in sie fließen konnte, machten diese Maßnahmen zwar aus Rosas Sicht keinen Sinn, für Elisabeth waren sie jedoch die einzigen Aufgaben, die sie hatte. Sie war außerdem ganz versessen darauf, mehr über die Kräuterheilkunde zu erfahren. Sie bettelte Rosa regelrecht an, ihr Wissen mit ihr zu teilen. Rosas Erzählungen über den Mond, der nicht nur Ebbe und Flut, sondern auch die Fruchtbarkeit der Menschen beeinflusste, hatten es Elisabeth besonders angetan. Immer wieder wollte sie neue Rituale, Reime und Gebete erfahren, die mit dem Mond zusammenhingen. Einige harmlose verriet Rosa ihr. Als sie beim nächsten Vollmond gegen Mitternacht vor ihre Hütte trat, um eine Tinktur zuzubereiten, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte, hätte sie schwören können, aus dem Garten hinterm Herrenhaus Schritte zu hören. Und tatsächlich gestand Elisabeth ihr am nächsten Morgen, des Nachts unterwegs gewesen zu sein. »Der Mond hat mit mir geredet!« hauchte sie verzückt. »Er hat sogar gelächelt!« Rosa schwieg nachsichtig. Dass sie in ihrer Hütte dem Mond soviel näher war als die feinen Herren und Damen in ihren Schlössern, wunderte sie nicht. Vor lauter
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