Die Salzbaronin
soll es auf einmal nicht mehr rechtens sein, das Salz zu sieden? Wo es doch seit Jahrhunderten nicht anders gemacht wurde«, maulte Hermann Lochmüller erneut. Doch so bestimmt wie zuvor war seine Widerrede nicht mehr.
»Hast du nicht gehört, du Trottel? Es ist wegen dem Holz! Das Holz ist zu teuer geworden!« schrie jemand hinter Lochmüller.
Während Götz noch überlegte, wie er die Sache am einfachsten zu Ende bringen konnte, machte Dorothea erneut einen Schritt nach vorn. Sie lehnte sich so weit vom Podest herab, dass Götz einen Augenblick lang Angst hatte, sie verlöre die Balance. Wieder verstummten die Leute sofort - was die Salzbaronin zu sagen hatte, wollte jeder hören.
Sie flehte nicht, sie bettelte nicht, und sie versuchte auch nicht, die Leute weiter zu überzeugen. Dorothea sagte nur drei Worte, aber sie waren es, die die Leute am Ende überzeugten. »Salz ist heilig!«
Natürlich wurde noch weiter hin und her geredet. Veränderungen mochte keiner - denn meist handelte es sich dabei um Veränderungen zum Schlechten. Dass Georg von Graauw die Rehbacher so mir nichts, dir nichts vor die Tür setzen wollte, erfüllte alle mit Wut. Im gleichen Maße, wie sie ihn verachteten, stieg die Achtung für Dorothea, die zusammen mit Götz versuchte, die Fragen der Anwesenden zu beantworten. Der Gedanke, Salz wie einen Brocken Stein aus der Erde zu schlagen, war vielen ungeheuer. Ob die Zeit reichen würde, einen Schacht von mindestens 80 Ellen Tiefe - so viele mussten es laut Rauber sein - zu graben, auch darüber gingen die Meinungen auseinander.
Doch bevor die Rehbacher sich trennten, wurde vereinbart, dass man sich am nächsten Tag zur gleichen Zeit am gleichen Ort wieder treffen wollte.
Zum ersten Spatenstich.
35
Mit der Lichtmess wurden in diesem Jahr die Tage nicht nur länger, sondern auch lauter. Von diesem Tag an gruben die Rehbacher nämlich ein Loch in die Erde. Die Abmessungen hatte Götz in die Erde gekratzt, es war größer und breiter, als die meisten es sich vorgestellt hatten. Das Kratzen der Schaufeln, das Stoßen der Spaten verfolgte alle von früh bis spät in den Abend.
Auch Rosa konnte dem ungewohnten Lärm in ihrer Hütte nicht entgehen, er verfolgte sie Tag und Nacht.
Gleich am allerersten Tag blieb es nicht aus, dass sich jemand bei der ungewohnten Arbeit verletzte: Statt die Schaufel in den lehmigen Boden zu stoßen, rammte sich einer der Solenachfüller aus Raubers Sudhaus das Werkzeug in den Fuß. Keiner hatte Zeit, ihn zu stützen oder gar zu tragen, also schleppte sich der Mann allein schweißnass und bleich vor Schmerz zu Rosa. Während sie die heftig blutende Wunde erst auswusch und dann verband, hörte sie dem Mann zu. Wie ein Wasserfall sprudelten die Neuigkeiten aus ihm heraus, zu frisch, zu neu das Ganze, um es ruhig und gelassen wiederzugeben.
Ein Schacht wurde gebaut, um Salz in Stücken aus der Erde zu holen. Dorothea und Götz Rauber machten hinter Georgs Rücken gemeinsame Sache. Soviel zu Georgs Voraussicht, der Sudhausvorsteher würde Dorothea im Zaum halten können, ging es Rosa durch den Kopf. Wie sagten die Bauern der umliegenden Gegend so treffend? Georg hatte den Bock zum Gärtner gemacht!
»Und keiner findet etwas dabei, den Grafen derart zu hintergehen?« fragte Rosa. So viel Bereitschaft zum Ungehorsam hätte sie den Rehbachern gar nicht zugetraut!
»Wenn hier einer jemanden hintergeht, dann ist es das Grafenbürschelchen selbst! Er ist doch unterwegs, um hinter unserem Rücken das Ende von Rehbach zu besiegeln!« sagte der Mann. So ganz unrecht hatte er nicht, gab Rosa ihm im stillen recht. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich gefühlt hatte, als Georg ihr von seinen Plänen erzählte. Dass ihm die Rehbacher so wenig bedeuteten, hatte auch sie ein wenig erschreckt. Aber wie weich und warm war seine Umarmung gewesen! Wie feurig seine Worte!
Und nun sah es so aus, als ob seine Schwester alles tun würde, um Georgs Vision zu verhindern.
Nachdem sie den Fuß des Mannes verbunden hatte, ging sie mit ihm zum Solebrunnen. Sie musste mit eigenen Augen sehen, was sie sich allein durchs Erzählen nicht vorstellen konnte!
Als die Leute Rosa von Dorotheas Plan erzählt hatten, drängte sich ein ganz anderer Gedanke in Rosas Kopf. Elisabeth! Die Witwe von Graauw! Wussten die beiden eigentlich, was in Rehbach vorging? Wenn nicht, dann war es höchste Zeit, dass sie davon erfuhren. Ohne Hermann eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte Rosa sich um und ging
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