Die Salzbaronin
einmal zu schwanken.
»Und wer legt fest, was zu meinen Aufgaben gehört?« Dorothea schaute sich um. »Ich sehe niemanden!«
Das war ja das Problem. Verzweifelt rang Elisabeth um eine Antwort. »Du bist nicht der Graf, so einfach ist das.«
Dorothea lachte. »Der Graf bin ich nicht, aber die Salzbaronin. Und als solche habe ich mehr für die Rehbacher getan, als mein lieber Bruder je tun wird. - Und außerdem: Was sind das für Regeln, nach denen ich deiner Meinung nach leben soll?« fragte Dorothea anschließend in einem so ruhigen Ton, dass dies in Elisabeth sofort Skepsis hervorrief. Was kam denn nun schon wieder?
»Es sind alte Regeln, zugegeben. Die besagen, dass ich als Tochter nicht mehr wert bin als ein Pfand, das jemand zu seinem Besten weiterreicht. Regeln, die besagen, dass nicht der bessere, der geeignetere Nachkomme die Geschicke einer jahrhundertealten Familie bestimmen darf, sondern derjenige, der männlichen Geschlechts ist.«
Elisabeth war sich nicht sicher, ob Dorothea nun zu ihr oder inzwischen mehr zu sich selbst sprach.
»Aber nur, weil diese Regeln viele Jahre gegolten haben, müssen sie noch lange nicht richtig sein, oder?« Dorothea schaute so verwundert, als käme der Gedanke ihr zum ersten Mal. »Ich lasse mich nicht verheiraten oder verschachern, weder an Alexander noch an sonst jemanden. Ich will selbst bestimmen, wie ich lebe. Schau dich doch an: Georg hat dich doch auch nur wegen deines Titels und eurer ach so wertvollen verwandtschaftlichen Beziehungen nach Stuttgart geheiratet. Was bist du denn für ihn? Du sollst ihm einen Nachkommen gebären, um mehr geht es ihm doch nicht. Hat dich denn je ein Mensch gefragt, was du willst? Oder nimm Viola hier!«
Viola guckte wie ein Kaninchen, das aus seinem Bau aufgeschreckt wurde. »Frederick war ein guter Mann. Ein sehr guter Mann.«
»Ja, den du nur bekommen hast, weil er nach dem Tod meiner Mutter jemanden brauchte, der uns Kinder umsorgt.«
Ein leises Wimmern war Violas einzige Antwort.
»Wie kannst du nur so böse sein?« Es hätte nicht viel gefehlt, und Elisabeth hätte ihrer Schwägerin eine Ohrfeige verpasst. »Lass Viola aus dem Spiel, ich warne dich«, sagte sie mit äußerster Beherrschung und so leise, dass nur Dorothea sie hören konnte. Gott sei Dank hatte das Schwindelgefühl so weit nachgelassen, dass sie wieder klarer denken konnte.
Dorothea winkte ab, als sei ihr dieses Thema sowieso zu unwichtig. »Ich bin hundertmal fähiger, Rehbach zu leiten, als Georg! Ganz gleich, ob ich nun eine Frau bin oder nicht.«
Elisabeth lachte kurz auf. »Du drehst doch alles hin, wie du es gebrauchen kannst. Auf der einen Seite schimpfst du darüber, dass Georg die Tradition missachtet, wenn er die Saline schließt. Und auf der anderem Seite können die Traditionen dir selbst auch gestohlen bleiben.«
»Tradition - ein gewichtiges Wort. Aber was ist das eigentlich? Es ist Tradition, dass sich das Familienoberhaupt der Graauws um die Rehbacher kümmert. Es sind unsere Leute. Mit dieser Tradition ist nicht zu brechen. Nur: Wer bestimmt denn, dass immer nur der Sohn das Familienoberhaupt werden kann? Und dass der Rehbacher Boden dazu da ist, Salz zu spenden - auch das ist eine Tradition, mit der nicht zu brechen ist!« Nun zitterte Dorotheas Stimme. »Georg ist derjenige, der unser Erbe in Frage stellt, nicht ich.«
Darauf wusste Elisabeth nichts zu sagen.
»Die alte Regel, mit der ich nicht mehr leben will, besagt lediglich, dass ich meine Zeit mit Blumenstickereien verbringen und schweigend zusehen soll, wie Georg jede andere, jede wichtige Tradition über den Haufen wirft, die unserem Hause je etwas bedeutet hat.«
»Und dazu ist dir jedes Mittel recht, nicht wahr?« Elisabeth spürte, wie sich wieder die alte Verzweiflung in ihr breitmachte. Gegen
Dorothea war kein Ankommen möglich. Sie mochte sich noch so gut mit Worten gegen sie wehren - am Ende war doch sie es, die mit einem dumpfen, unglücklichen Gefühl zurückblieb, während Dorothea davonlief, als wäre nichts gewesen. Dieses Mal würde jedoch sie das Gespräch beenden. Sie stand auf.
»Ich habe genug von dem ganzen Gift, das du verspritzt! Und falls es dich interessiert: Ich gehe jetzt zu Rosa. Die ist nämlich krank!«
»Ja, geh nur zu deiner Hexe! Kümmere dich um sie! Jeder rennt weg, ohne sich um Rehbach und das, was uns wirklich etwas angeht, zu kümmern. Das ist es doch, was diese Familie zerstört, nur merkt ihr das in eurer Blindheit nicht!« schrie
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