Die Salzbaronin
fast unmerkliches Zuzwinkern auf gleiche Art zu beantworten. Dorotheas Plan schien zu funktionieren, die Leute waren ganz offensichtlich beeindruckt. Es wäre töricht gewesen, die Wirkung des Kreuzes durch »heimlich« ausgetauschte Vertraulichkeiten aufs Spiel zu setzen.
In der Zwischenzeit hatte Dorothea den Stadtpfarrer herbeigewinkt. Mit großen Worten und viel Drumherum stellte Dorothea ihn vor und teilte den Leuten mit, dass er am kommenden Tag nicht nur Ellen beerdigen würde, sondern dass er außerdem einen Gottesdienst direkt am Schacht abhalten würde, um das Kreuz zu weihen, welches danach unten an der Schachtwand angebracht werden würde.
Das zustimmende Kopfnicken hätte nicht heftiger sein können. Die Leute tauschten Blicke untereinander aus. Auf die Salzbaronin war Verlass! Auf einmal begannen alle durcheinanderzureden. Es waren ja auch wirklich große Neuigkeiten, die sie erfahren hatten.
Götz erwartete schon, dass Dorothea ihre Rede beenden und sich verabschieden würde, doch sie hielt beide Hände hoch. Augenblicklich wurden alle wieder still.
»Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis wir auf Salz stoßen. Lange kann es eigentlich nicht mehr sein«, sagte sie. »Unter Gottes Schutz werden wir jedoch graben, bis es soweit ist.« Ihr Blick war eisern, als sie ihn über jedes Gesicht wandern ließ. »Und dann …« Sie atmete tief aus und Schloss kurz die Augen, als könne sie nur so etwas sehen, was allen andern verborgen blieb. »Wenn das erste Steinsalz verkauft ist und die Kosten für das ganze Stützholz und Baumaterial abgezahlt sind - wenn das alles unter Gottes Schutz geschehen ist…«
»Mach’s nicht so spannend, Salzbaronin!« rief Götz ihr zu.
Die Leute lachten.
Dorothea grinste Götz an. »Musst dich halt wie alle gedulden, Götz Rauber!« gab sie lachend zurück.
»… dann werde ich mit dem Geld, das wir durch das Steinsalz verdienen, eine Kapelle bauen lassen! Eine Kapelle mit einem weiteren Kreuz darin. Und einer Marienfigur. Und bunte Fenster soll sie haben. Alles nur für die Rehbacher! Ich verspreche euch: Bei der nächsten Kirchweih gibt es tatsächlich etwas zu weihen!«
45
Das Morgenlicht fiel in einem Kegel in den Frühstücksraum und tauchte einen Teil des Tisches in grüngelbes Licht. Obwohl es erst acht Uhr früh war, stand die Sonne schon so hoch am Himmel, dass man sie selbst durch die hohen Fenster nicht mehr sehen konnte. Schon längst waren die schweren Samtvorhänge, die im Winter vor Zugluft schützten, den leichten, durchsichtigen Seidenschals gewichen, durch die das Sonnenlicht in den Raum scheinen konnte, ohne diesen zu erhitzen. Draußen zwitscherten Hunderte von Vögeln. Die frisch erblühte Kletterrose, die sich an einem Spalier an der Hauswand emporrankte, parfümierte den ganzen Raum mit einem Duft nach Vanille und Pfirsichen. Dass das Zimmer ohne jeden Blumenschmuck war, wäre einem Besucher bei dem betörenden Duft, der durch die offenen Fenster drang, vielleicht gar nicht aufgefallen. Für Elisabeth war dies jedoch ein weiterer Beleg dafür, dass nichts mehr so war wie noch vor einem Jahr.
Kein Blumenschmuck. Keine Besucher. Keine Jagdgesellschaften.
Nichts.
Kein Georg.
Dafür Wut.
Der Morgen hätte eine unbeschwerte Leichtigkeit haben können, wenn … Bitter schaute Elisabeth über den Tisch. Wie selbstgefällig Dorothea dasaß und in ihren Kuchen biss, als würde sie den ganzen Tag nichts anderes mehr kriegen! Wahrscheinlich kam sie vor lauter Herumkommandieren wirklich nicht zum Essen. Es fehlte nur noch, dass Dorothea sich ans Kopfende des Tisches gesetzt hätte. Eigentlich ein Wunder, dass sie diesen Platz nicht schon längst für sich beanspruchte.
»Und? Geht es voran mit deinem Schacht? Oder ist womöglich noch so ein lästiger Unfall dazwischengekommen?« Elisabeth konnte nichts gegen den bösen Ton in ihrer Stimme machen und wollte es auch gar nicht. »Hat es womöglich noch irgendein dummer Kerl gewagt, einfach zu ertrinken oder auf andere Art in diesem dunklen Loch zu Tode zu kommen?«
Ungerührt biss Dorothea von ihrem Kuchen ab. »Wie kommt es, dass du dich auf einmal für den Schacht interessierst?« Sie lachte abfällig, dann wandte sie sich dem kleinen Stapel Briefe zu, den Luise wie immer neben ihr Gedeck gelegt hatte. »Glaub doch, was du willst«, tat sie Elisabeths Bemerkung ab, während sie mit dem Nagel ihres Zeigefingers den ersten Brief öffnete.
Elisabeth biss sich auf die Lippe. Nein, sie würde nicht
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