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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sich rasch die nächsten Sätze zurechtlegte, fuhr Gottlieb dazwischen: »Ein Streit unter Eheleuten – deshalb rennt man doch nicht einfach davon!« Sein Blick bohrte sich in Seraphine. Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz nach vorn.
    »Helmut, du musst mich nach Böhmen mitnehmen! Ich werde dir zur Seite stehen, immer, jederzeit! Hannah ist schwanger, für sie wäre solch eine Reise viel zu beschwerlich, gefährlich gar, aber ich –«
    »Den Hintern hätte er dir versohlen sollen!«, rief Gottlieb, als habe sie nichts gesagt. »Viel zu gutmütig ist der Trottel mit dir gewesen. Das ganze Malzeug, die vielen teuren Blöcke, die er ständig angeschleppt hat, die schöne Reise nach Holland – und als Dank dafür lässt er sich von dir und deinem Gekeife aus dem Haus jagen! In welchen Zeiten leben wir eigentlich? Gestorben ist der für mich, gestorben!«
    »Gottlieb«, sagte Wilhelmine beschwichtigend, den Blick auf das geschnitzte Holzkreuz an der Wand gerichtet.
    Seraphine ignorierte beide, konzentrierte sich auf Helmut. »Ich kann gut arbeiten, das habt ihr doch alle gesehen, nichtwahr? In den letzten Jahren habe ich viel dazugelernt, ich bin längst nicht mehr die schwächliche Seraphine von einst …« Ihr Redeschwall kostete viel Luft, aber sie musste, sie musste die anderen überzeugen!
    Mach, liebe Sternenfee, dass er sieht, wie gut und richtig das alles ist!
    Nach Atem ringend sprach sie weiter, lauter als nötig, als wolle sie mit ihrer Stimme jeden nur möglichen Zweifel an ihrer Idee übertönen.
    »Ich kann auch gut verkaufen. Hannah! Sag ihnen das! All unsere Sämereien habe ich rund um Herrenberg verkauft, und kein Gewicht ist mir zu schwer, ich werde Valentins Zwerchsack tragen, alles werde ich –«
    »Seraphine!«
    Sie zuckte zusammen. Auf Helmuts Gesicht lag ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte.
    »Ja?« Ein Wort nur, ein einziges Fragezeichen.

51
    Eine Woche nach seiner Flucht aus Gönningen erreichte Valentin den Tulpenhof van den Veyen. Als Margarita ihn sah, schüttelte sie zuerst den Kopf, als wolle sie ein Fantasiebild vertreiben. Erst als er ihr zuwinkte, kam sie langsam und mit einem fragenden Gesichtsausdruck auf ihn zu.
    »Ist mit unseren Zwiebeln etwas nicht in Ordnung?« Ihre Augen waren weit aufgerissen, erschrocken starrte sie ihn an.
    Die Zwiebeln – was für ein absurder Gedanke! Unwillkürlich musste Valentin lachen. Es war kein Lachen, das tief aus seinem Inneren kam, aber es war ein Lachen, immerhin. Das erste, seit er in einem anderen Leben Holland verlassen hatte.
    Er schüttelte den Kopf. »Mit den Zwiebeln ist alles in Ordnung, denke ich.« Fragend schaute er sich um. »Ist Ihr Vater da?«
    Margaritas Schultern entspannten sich. Seufzend sagte sie: »Schon wieder will er mit dem Leierkastenmann sprechen und nicht mit dem Äffchen – das ist wohl das Los meines Lebens!«
    Gleich darauf wurde sie wieder ernst.
    »Er ist beim Pflügen. Wenn Sie möchten, kann ich Sie hinführen, es ist sowieso bald Zeit für sein Mittagsmahl.«
    Obwohl man ihr die Neugier ansehen konnte, ließ sie es dabei bewenden. Valentin dankte es ihr mit einem Lächeln.
    Während er sich am Brunnen im Hof frisch machte, packte Margarita einen Korb für ihren Vater. Dann machten sie sich schweigend auf den Weg.
    Valentin war gut vorangekommen, hatte die Strecke von Gönningen bis zum Tulpenhof in der Hälfte der Zeit bewältigt, die er Wochen zuvor mit den drei anderen benötigt hatte. Was Mitfahrgelegenheiten anging, war er nicht wählerisch gewesen – selbst ein Ochsenkarren hatte ihm genügt. Große Stücke des Weges war er gelaufen, mit dröhnendem Kopf und wehem Herzen. Wenn es gar zu wehtat, war er einfach schneller gerannt, bis er außer Seitenstechen nichts anderes mehr spürte. Trotzdem hatten sie ihn begleitet, Schritt für Schritt, Tag für Tag, Nacht für Nacht, die vielen Fragen: Er war geflohen – war er deswegen ein Feigling? Er hatte seine Familie im Stich gelassen – war er deswegen ein Schuft? Seine Frau hatte sein Kind getötet – wer war nun der Teufel? Er wollte nicht denken, nicht über die Richtigkeit seiner Entscheidung nachgrübeln. Denn für das, was er fühlte, und für das, was er nicht mehr fühlte, hatte der Verstand keine Lösung parat. Er wusste nur eines: Zu Hause hätte er es keinen Tag länger ausgehalten.
    Wenn es dunkel wurde, hatte sich Valentin irgendwo eineleer stehende Scheune oder einen Heuschober gesucht. Er besaß nicht genug Geld, um in

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