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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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war! Mit wie viel Weitsicht er die Dinge betrachtet hatte. Nur zu gern hätte sie jetzt ihm geholfen, doch ihre Versuche, ihn aus der Reserve zu locken, liefen ins Leere. Er tätschelte ihren Arm, als wolle er damit ihre Bemühungen würdigen, verzog den Mund zu etwas, was ein Lächeln darstellen sollte, doch es erreichte seine Augen nicht. Hannah überlief ein Schauder.
    Ratlos beobachtete sie das eisige Schweigen des Paares.
    Die Heimkehr der vier wurde in Gönningen gefeiert: Wilhelmine hatte eigens für diesen Anlass drei Bleche Streuselkuchen gebacken, Flora begrüßte ihre Eltern mit Freudengeheul und ausstaffiert mit einem neuen Kleidchen, Gottlieb begutachtete kritisch die Tulpenzwiebeln, welche die Brüder als Mustermitgebracht hatten, und bestätigte ihre Qualität. Emma und ihre Tochter, Annchen und ihr Mann und viele der Nachbarn schauten vorbei, um zu erfahren, wie denn die Reise mit den »Weiberleuten« verlaufen sei. Alle wollten wissen, was sie in Holland erlebt hatten. Hannahs Mund stand nicht mehr still, und zwischen ihren Erzählungen lachte sie und küsste Flora. Dass sowohl Seraphine als auch Valentin nur sehr einsilbig auf Fragen antworteten und von sich aus gar nichts zum Besten gaben, fiel im allgemeinen Trubel niemandem auf. Im Laufe des Tages fanden sich immer mehr Gäste im Kernerschen Haus ein, so dass es Wilhelmine am Ende zu viel wurde. Und so marschierte die ganze Versammlung zu Emma in die »Sonne«, wo weitergefeiert wurde.
    Hannah hatte eigentlich vorgehabt, die Neuigkeit über ihre Schwangerschaft noch ein Weilchen für sich zu behalten, und hatte dies auch so mit Helmut vereinbart. Doch der viele Wein, den Emma mehr als großzügig ausschenkte, löste seine Zunge, und vergessen war die Absprache.
    »Hebt eure Gläser und stoßt mit mir an!«, rief er in die Runde. Seine Wangen waren vor Eifer gerötet, sein Weinglas schwankte gefährlich, kleine blutrote Spritzer landeten auf dem Tisch.
    Hannah wollte ihn noch zurückhalten, doch es war zu spät. »Ich werde wieder Vater!«, platzte er heraus, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich und die gute Nachricht feiern zu lassen. Was ihr nicht sonderlich schwer fiel.
    Niemand bemerkte Seraphines versteinerte Miene. Niemand bemerkte Valentins überstürzte Flucht. Und wenn jemand etwas bemerkt hätte, wäre er gewiss weder dem einen noch dem andern nachgesprungen.
    Drei Tage später war Hannah schon frühmorgens in der Packstube. Vor ihr auf dem Tisch standen ein gutes DutzendGlasschalen. In diese hatte sie vor ihrer Abreise nach Holland je hundert Samen von Rettichen, Gurken, Bohnen und anderen Gemüsesorten gestreut. Da Wilhelmine die Samen während ihrer Abwesenheit feucht gehalten hatte, war es nun an der Zeit, zu überprüfen, wie viele Samen pro Sorte gekeimt waren – eine Arbeit, die Hannah hasste und deshalb so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, bevor ständig jemand in die Packstube platzte und sie beim Zählen störte. Bevor Flora ihre Aufmerksamkeit verlangte. Bevor Wilhelmine einfiel, dass der Hühnerstall ausgemistet werden sollte – eine Arbeit, die Hannah noch mehr hasste. Allein beim Gedanken an den durchdringenden Mistgeruch musste sie würgen. Vielleicht konnte sie Helmut überreden … Wenn sie ein bisschen flunkerte und behauptete, die Morgenübelkeit hätte wieder zugenommen … Kaum gab sie sich solchen Überlegungen hin, hatte sie sich schon verzählt und musste wieder von vorn beginnen.
    Die Rettiche und Gurken hatte sie schon durch und war mit dem Ergebnis zufrieden – fast alle Samen waren aufgegangen. Mit solch einer Ware würden die Brüder ihrer Kundschaft guten Gewissens entgegentreten können!
    Als sie Helmut aus dem Augenwinkel zur Tür hereinstürzen sah, war sie gerade dabei, die gekeimten Bohnensamen auszuzählen. Musste er halt warten, dachte sie stirnrunzelnd. Schließlich schaute sie von ihrer Arbeit auf. Er stand regungslos in der Tür.
    »Was ist? Willst du hier Wurzeln schlagen?«, fragte sie mit leicht gereiztem Unterton. Erst da fiel ihr seine Leichenblässe auf.
    »Ist etwas mit Flora?« Mit einem Satz war sie bei ihm, wollte an ihm vorbei durch die Tür stürzen, die Treppe hinauf –
    »Valentin … Er ist fort.«
    »Was heißt das, fort?« Ihr Herz klopfte schneller, undverständnislos starrte sie auf den Bogen Papier, den Helmut ihr mit zitternder Hand hinhielt.
    Geliebte Eltern, lieber Bruder, liebe Schwägerin,
    verzeiht mir meine Feigheit, euch meinen

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