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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dem er gleich erwachen und zu Seraphine sagen würde: Wie habe ich heute Nacht schlecht geschlafen!
    Doch das scharfkantige Seegras, das ihn durch die Hosenbeine hindurch piekte, war so real wie der Haufen Pferdeäpfel, den der Gaul gerade fallen ließ. Keine Seraphine, nicht schlaf- und nicht morgentrunken. Nie mehr würde er etwas zu ihr sagen. Weil es nichts mehr zu sagen gab.
    Aus seinem Alptraum gab es kein Erwachen.

52
    Ratlos starrte Hannah auf die Berge von Material, die sich vor ihr auf dem Tisch der Packstube türmten: Ähren von Weizen, Hafer und Dinkel, Stroh, Strohblumen, bunte Bänder – dieFlora eifrig zu Schleifen zu binden versuchte und die Hannah daraufhin wieder entwirren musste – und eine Spule mit Draht.
    Sie seufzte. Worauf hatte sie sich da nur wieder eingelassen?
    Zögernd ergriff sie mit der linken Hand ein Büschel Stroh und umwickelte es mit der rechten Hand mit Draht. Die eine Hand hält nur, die andere führt zu – als Wilhelmine ihr die Bindetechnik erklärte, hatte sich das alles ganz leicht angehört. Nun aber … Mit verkrampften Schultern und angehaltenem Atem arbeitete sich Hannah voran, bis die Form eines Kranzes andeutungsweise sichtbar wurde. Erst als sie die beiden entstandenen Enden zusammengebunden hatte, gestattete sie sich, tief Luft zu holen.
    »Flora!« Ihre Tochter hatte sie vor lauter Eifer ganz vergessen. Die Zunge im Mundwinkel, die Stirn gerunzelt, mühte sich Flora, Waldgrün, getrocknete Beeren und Blätter zu einem Strauß zusammenzubündeln. Immer wieder fiel ihr dabei ein Zweig oder ein Beerenbüschel aus der Hand, aber beharrlich stopfte Flora alles wieder zurück. Freudestrahlend hielt sie Hannah schließlich ihren bunten Strauß entgegen.
    »Das hast du aber schön gemacht«, murmelte Hannah.
    Sofort grabschte Flora nach einem neuen Buchsbaumzweig, und staunend schaute Hannah ihr zu.
    Es kam selten vor, dass sich ihre Tochter für längere Zeit mit ein und derselben Sache beschäftigte. Meistens rannte sie so schnell umher, wie ihre kurzen Beine sie tragen konnten, stellte hier Unfug an, wurde da von Wilhelmine vertrieben, suchte sich dort eine neue Beschäftigung, die ihr aber auch bald wieder langweilig wurde. So selbstvergessen und zufrieden wie inmitten von all dem Grünzeug hatte Hannah ihre Tochter selten gesehen …
    »Wenn mir diese Arbeit nur auch so viel Spaß machen würde! Aber bei mir ist Hopfen und Malz verloren!« Lustlos schob sie die Strohblumen, die sie noch einarbeiten musste, von sich.Eine Tasse Kaffee – das wäre jetzt schön! Und vielleicht ein Stück Apfelkuchen dazu. Dann fiel ihr ein, dass Gottlieb das letzte Stück vom Kuchen am Morgen gegessen hatte – nichts war’s mit einer süßen Leckerei.
    Im nächsten Moment hellte sich ihre Miene auf. Dass sich Flora mit dem Grünzeug so schön zu beschäftigen wusste, musste sie unbedingt Helmut erzählen. Wahrscheinlich würde er gleich behaupten, sie habe eben seine Liebe zur Natur geerbt. Es würde seine Stimmung sicher aufhellen, vielleicht würde er sogar lachen, Flora in die Höhe heben oder in der Luft herumwirbeln, wie er es früher immer getan hatte. Früher, als er sich noch nicht fühlte wie jemand, dem der linke Arm fehlte.
    So hatte er es ausgedrückt, erst gestern Abend im Bett noch. »Seit Valentin weg ist, fühl ich mich, als hätte mir jemand meinen linken Arm abgeschnitten. Er ist doch mein Bruder, verstehst du?«
    Sie hatte verstanden. Und sie hätte ihn gern getröstet, auch jetzt wieder. Aber Helmut war zusammen mit Gottlieb in Ulm, um eine Lieferung von Gemüsesamen in Empfang zu nehmen, die einer ihrer italienischen Lieferanten auf seinem Weg nach Norden dort für sie ablud.
    Gedankenverloren zerrupfte Hannah eine der Strohblumen, orangefarbene Krümel rieselten über den Tisch. Die »Zurückgebliebenen« rückten näher zusammen. Und waren sich manchmal doch so fern.
    Wäre Wilhelmine nicht immer noch so untröstlich über Valentins Weggang gewesen, hätte sie – Hannah – sich nie bereit erklärt, für den Erntedankgottesdienst einen Kranz zu binden. Sie, mit ihren zwei linken Händen! Doch sie hatte Wilhelmine eine Freude machen wollen.
    Als die Tür aufging, machte sie ein erstauntes Gesicht. »Sag mal, kannst du Gedanken lesen? Gerade habe ich von einer Tasse Kaffee geträumt!« Kopfschüttelnd nahm sie ihrerSchwiegermutter den Becher ab. Dass Wilhelmine sie bediente, war auch noch nicht vorgekommen!
    Wilhelmine strich Flora lächelnd über den

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