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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Entschluss nicht ins Gesicht sagen zu können. Wenn ihr diese Zeilen lest, werde ich auf dem Weg nach Amerika sein. Ob und wann ich zurückkommen werde, weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass ich gehen muss. Helmut, bitte versuche nicht, mir nachzureisen. Niemand kann mich aufhalten oder gar umstimmen – mein Entschluss steht fest. Sobald ich drüben angekommen bin, werde ich euch schreiben. Macht euch keine Sorgen und versucht, mir meinen Eigennutz zu vergeben, auch wenn ich dessen nicht würdig bin.
    Euer euch immer liebender Sohn, Bruder und Schwager
    An Vater: Ich habe aus der Geldschatulle einen kleinen Betrag genommen, natürlich werde ich diesen so bald wie möglich an dich zurückschicken.
    An Helmut und Vater: Habe außerdem meinen Zwerchsack ordentlich mit Samen gefüllt – von irgendetwas muss ich ja in der neuen Heimat leben.
    »In der neuen Heimat«, flüsterte Hannah. Wie ein Blasebalg, aus dem die Luft entwichen ist, sackte sie auf dem nächstbesten Stuhl zusammen. Fassungslos starrte sie auf das Blatt Papier in ihrer Hand, starrte auf jedes Wort, bis die Tinte unter ihrem Blick zu verschwimmen begann. Tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf, ein Gefühl der Unwirklichkeit überfiel sie.
    Das konnte doch nicht wahr sein.
    »Das … das ist doch nur ein dummer Scherz, oder?«Blinzelnd schaute sie auf und sah Helmut. Helmut, der zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, weinte. Hemmungslos weinte.
    Und da wusste sie, dass es stimmte: Valentin war fort.

50
    Helmut riss seinem Vater den Rasierpinsel aus der Hand, Hannah scheuchte Wilhelmine im Morgenrock aus der Küche, dann holte sie Seraphine aus dem Bett. Kurz darauf versammelten sich alle in der guten Stube. Steif hockten sie auf den hart gepolsterten Sitzmöbeln, nahmen sich abwechselnd Valentins Brief aus der Hand, starrten darauf, sahen sich an und begannen schließlich wie auf ein geheimes Kommando gleichzeitig zu sprechen. Auch die Eltern dachten zuerst an einen dummen Scherz, doch Helmut winkte müde ab.
    »Der hat Ernst gemacht«, sagte er tonlos, woraufhin Wilhelmine lautlos zu weinen begann.
    Seraphine schwieg. Ihr Blick wanderte ziellos im Raum umher, blieb hier an der vergoldeten Pendeluhr hängen, da an einer Bronzefigur, die einen Hirsch darstellte, wanderte weiter zum Buffet, hinter dessen Glasscheiben Porzellanfiguren aus der Ludwigsburger Manufaktur ausgestellt waren.
    Ich hasse diesen Raum!, durchfuhr es sie. Er war kalt und trostlos, daran konnte auch sein ganzer Zierrat nichts ändern. Warum saßen sie nicht in der Küche, wo Kaffeeringe auf der Tischplatte von häufigem Beisammensein erzählten, wo es nach warmer Milch roch und nach geröstetem Brot?
    »Natürlich habe ich nichts gewusst, ich bin genauso sprachlos wie ihr!«, schrie Helmut gerade seinen Vater an, der daraufhin barsch erwiderte:
    »Du kannst mir doch nicht erzählen, dass er all seineVorbereitungen allein getroffen hat. Der packt doch nicht von heute auf morgen einfach seinen Zwerchsack, das will doch sorgfältig geplant werden! Und sonst steckt ihr beide doch immer unter einer Decke!« Obwohl Gottlieb auch in normalen Zeiten ein lautes Organ besaß, ängstigte seine jetzige Lautstärke Seraphine sehr. Die feinen Äderchen, die seine Wangen überzogen, waren feuerrot, er sah aus, als wolle er Helmut im nächsten Moment anspringen, sein ganzer Leib bebte. Hilflos legte Wilhelmine eine Hand auf seinen Arm.
    »Helmut hat nichts gewusst, ehrlich«, sagte Hannah. »Von so etwas war überhaupt keine Rede, im Gegenteil, die beiden haben doch schon darüber gesprochen, wann sie nach Böhmen abreisen …« Sie hob verwundert die Hände. »Ich verstehe das alles nicht.«
    »Mein Sohn – wie kann er uns das antun«, schluchzte Wilhelmine. »Diese Geheimniskrämerei … Wenn er bei uns so unglücklich war, warum hat er dann nichts gesagt?«
    »Unglücklich, pa!« Gottlieb presste die Lippen zusammen. »Als ob’s den Buben bei uns nicht immer gut ging!«
    Hannah drückte dem Schwiegervater die Schulter. »Natürlich ging es ihm gut hier. Uns allen geht es gut. Umso unverständlicher ist das doch!«
    Seraphine hatte das Gefühl, als schaue sie durch ein Kaleidoskop: Wilhelmines Verzweiflung, der Hirsch, der nicht brüllte, Hannah, die um Fassung rang, die goldene Uhr, die nicht schlug, die Feindseligkeit der Männer – lauter Fragmente, gerade noch da, gleich wieder verschwommen, nichts, woran sich ihr Auge festhalten konnte. Oder ihre Gedanken. Was bedeutete das

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