Die Samenhändlerin (German Edition)
angstvolles Gesicht mit den geröteten Augen ließ ihn jedoch seine schlimmsten Befürchtungen verschweigen. Seit die Krankheit ausgebrochen war, pflegte sie den Kranken Tag und Nacht. Wie es schien, hatte sie dabei keine Hilfe, was den Arzt nicht wunderte – niemand hatte ein Interesse daran, sich bei dem Fremden anzustecken.
»Ich möchte eine Lungenentzündung nicht völlig ausschließen«, sagte er vorsichtig. »Auch zeigt er nicht unbedingt die typischen Krankheitsmerkmale eines Ruhr- oder Typhuskranken, aber ausschließen kann man auch diese Komplikationen nicht … Bei seinem Sturz ins Hafenbecken muss er eine beträchtliche Menge Wasser geschluckt haben. Menschliche und tierische Fäkalien, Abfälle, Tierkadaver … dies alles ergibt nicht gerade einen Gesundheitstrunk.«
»Aber das ist doch schon fast zehn Tage her! Irgendwann muss das Gift doch wieder aus seinem Körper gewichen sein. Können Sie nicht wenigstens noch einen Aderlass machen?«, flehte Margarita.
Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht das Gefühl, dass wir damit einen Erfolg erzielen, ganz im Gegenteil. Der Mann wirkt nach jedem Aderlass noch geschwächter – sehrungewöhnlich! Ich hege deshalb den Verdacht, dass der Herr schon vor seiner Erkrankung angeschlagen war. Erwähnten Sie nicht, er habe eine lange Reise hinter sich?«
Margarita bestätigte dies kopfnickend.
»Nun, er kann sich auch unterwegs eine Krankheit zugezogen haben, die hier noch nicht bekannt ist.«
»Na wunderbar!«, brummte Piet, der dem Arzt bisher schweigend zugehört hatte. »Können Sie wenigstens sagen, ob diese Krankheit ansteckend ist? Ich habe schließlich die Verantwortung für den Rest des Haushaltes zu tragen!«
Diese Bemerkung trug ihm einen giftigen Blick von Margarita ein, den er jedoch geflissentlich ignorierte.
Abermals zuckte der Arzt die Schultern. »Ausschließen lässt sich gar nichts. Selbstverständlich kann ich veranlassen, dass der Kranke in ein Spital gebracht wird, aber –«
»Das kommt gar nicht in Frage!«, fuhr Margarita scharf dazwischen. »Valentin bleibt hier, wo ich für ihn sorgen kann.«
Der Arzt schaute auf sie hinab und sah in den Augen, gerötet von zu wenig Schlaf, ein Feuer brennen, das er dem Kranken gewünscht hätte. Dieses blasse, sommersprossige Wesen hatte einen eisernen Willen! Wenn der Mann überhaupt eine Chance besaß, dann durch sie und ihre Pflege. Genau dies sagte er zu ihr, was Margarita ein schwaches, aber zufriedenes Lächeln entlockte.
»Machen Sie weiter wie bisher: kalte Wickel gegen das Fieber, kräftig gesalzene Speisen, sehr fein zerkleinert, ein wenig Rotwein zur allgemeinen Stärkung.«
Er hielt kurz inne und fasste dann einen Entschluss.
»Trotzdem ist es meine Pflicht, Sie auf das Schlimmste vorzubereiten. Wenn das Fieber in den nächsten Tagen nicht zurückgeht … Ewig hält der Körper diesen Belastungen nicht stand. Wir können nur hoffen.«
Margarita würgte, als habe sie sich an einer Gräte verschluckt.
Der Arzt sah sie mitleidig an. »Ist der Kranke ein Verwandter von Ihnen?«, fragte er, obwohl er längst wusste, dass dies nicht der Fall war. In der ganzen Gegend wurde über den Fremden geredet, der nun schon seit Wochen auf dem Hof weilte. Auch dass er krank war, schwer krank, war Piets Nachbarn nicht entgangen, immer wieder wurde er als der Arzt des Kranken angesprochen. Die Leute machten sich Sorgen, konnte man es ihnen verdenken?
»Seine … Familie lebt in Württemberg«, sagte Margarita so leise, dass er Mühe hatte, die Worte zu verstehen.
»Dann rate ich Ihnen, eine Eildepesche auf den Weg dorthin zu bringen.«
»Aber …« Aufgeregt schaute Margarita von dem Arzt zu ihrem Vater. »So eine Nachricht ist doch tagelang unterwegs! Bis sie ankommt, ist Valentin längst wieder gesund. Und dann haben wir die Leute unnötig geängstigt. Außerdem … hat er keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen«, fügte sie beinahe trotzig hinzu.
Der Arzt wechselte einen Blick mit dem Tulpenzüchter, dem anzusehen war, dass er den Kranken lieber heute als morgen aus dem Haus geschafft hätte.
»Tu, was Doktor Bleyhuis sagt, mein Kind.«
Der Arzt räusperte sich. »Im Angesicht des Todes werden Familienstreitigkeiten unwichtig – das ist meine Erfahrung. Und für viele Angehörige ist es ein Trost, den Leichnam mit nach Hause nehmen und in den heimischen Gefilden beerdigen zu können.«
Den Rücken an den knorrigen Stamm eines Apfelbaumes gelehnt, atmete
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