Die Samenhändlerin (German Edition)
Erstbeste war, was ihr einfiel.
Hildes Mund klappte auf, und einen Moment lang starrte sie Hannah aus großen Augen an. Dann sagte sie: »Sie haben Recht! Himmel, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Erst letzten Sonntag hat der Messner gemurmelt, die Streitereien würden ihm langsam zu viel.« Mit einem grimmigen Blick über ihre Schulter fügte sie hinzu: »Und ich kann mir schon denken, wer sich dann die Hände reiben würde …«
Hannahs Augen folgten dem Blick der Frau dorthin, wo sie einen weiteren Nachbarshof vermutete.
»Treffen Sie doch eine Abmachung mit Ihrer Nachbarin: An einem Sonntag sorgt sie für die Blumen, am nächsten Sonntag sind Sie an der Reihe. So würden Sie sich nicht nur die große Ehre, sondern auch die Arbeit teilen!«
»So, das ist aber wirklich der letzte Eimer! Wenn ich jetzt noch einmal nach unten gehe, dann nur, um ein Bier zu trinken!« Schwer atmend kippte Helmut warmes Wasser in den Badezuber, den er und Hannah zuvor auf ihr Zimmer geschleppt hatten. Eigentlich war es eher ein Waschzuber, aber Hannah hätte sich auch in eine Pferdetränke gesetzt, wenn ihr jemand ein heißes Bad darin angeboten hätte. Genießerisch lehnte sie sich zurück und ließ ihre Arme auf der Oberfläche des Wassers schweben.
»Du hast gerade eine Frau sehr glücklich gemacht«, seufzte sie.
»Na, dann ist es ja recht«, brummte Helmut, bevor er in Richtung Wirtshaus verschwand.
Mit einem Lächeln schaute Hannah ihm nach. Hoffentlichtraf er auf eine gesellige Runde, sie hatte nämlich nicht vor, so schnell wieder aus den Fluten ihres Bades aufzutauchen!
Endlich einmal allein sein! Zeit nur für sich zu haben, ohne an den nächsten Kundenbesuch denken zu müssen. Ohne Stift in der Hand, um Bestellungen aufzunehmen. Ohne den Blick auf den Kalender, ob sie noch im Zeitplan lagen.
Wer hätte das gedacht? Da genoss sie hier, in ihrem winzigen Fremdenzimmer in Budweis, ein Bad! Was für ein Luxus … Zuerst hatte sie sich gar nicht getraut, Helmut ihren Wunsch vorzutragen. Doch dann hatte die Sehnsucht nach Wasser, Wärme und Sauberkeit überwogen. Er zog zwar ein Gesicht, das besagen sollte: Müssen solche Umstände wirklich sein? Doch dann hatte er den Wirt überredet, Wasser für Hannah aufzusetzen.
Eine Welle der Liebe überflutete Hannah. Helmut hatte sich daran gewöhnt, dass sie ein wenig anders war als die meisten Gönninger Frauen. O ja, sie konnte sehr wohl hart arbeiten – das hatte sie mit den Gönninger Weibern gemein, aber als Ausgleich brauchte sie hin und wieder etwas Besonderes. Ein Bad während der Woche, und nicht nur samstags. Eine süße Leckerei, und nicht immer nur Butterbrot. Einen Silberring am Finger, und nicht nur Arbeitsschweiß. Kleine Dinge, gewiss, aber sie schöpfte ihre Freude daraus. Helmut verstand das.
Mit beiden Händen schüttete sich Hannah Wasser ins Gesicht, dann tauchte sie mit dem ganzen Kopf unter. Zählte bis drei und tauchte prustend wieder auf.
Andererseits hatte auch sie sich an Helmuts Eigenarten gewöhnt, vor allem an seine Rastlosigkeit, die ihn immer wieder den Aufbruch zur nächsten Reise herbeisehnen ließ. Wie hatte sie sich anfangs deswegen gequält! Hatte sich eingebildet, dass er sie und Flora nicht genug liebte. Dass er nicht gern mit ihr zusammen war. Erst jetzt, nachdem sie mit eigenen Augen gesehen hatte, wie beliebt er bei seinen Kunden war, wieeinfühlsam er sich auf jeden Einzelnen einstellte, war ihr klar geworden, dass das Reisen Helmut eine ganz besondere Art von Bestätigung gab.
Er war aber auch ein Teufelskerl! Wie er vorhin mit dem Dolezil …
Urplötzlich musste Hannah an Valentin denken. Er wäre gewiss nicht so begriffsstutzig gewesen wie sie, hätte gleich gewusst, dass Dolezils Gejammer nur das Vorspiel für ein kleines Schnapsgelage unter alten Bekannten war.
Um ihre Brüste, die aus dem Wasser ragten, zu wärmen, legte Hannah ihre Hände darauf. Wie zwei große Bälle, schoss es ihr durch den Kopf. Dabei hatte sie gerade einmal die Hälfte der Schwangerschaft hinter sich.
Valentin … Wie es ihm wohl erging? Ob er schon auf einem Schiff nach Amerika war? Amerika – Hannah schüttelte den Kopf. Eine Reise dorthin überstieg ihre Vorstellungskraft.
Sie wünschte Valentin zwar von ganzem Herzen, dass er sein Glück in der Ferne fand, doch rührten sich immer wieder leise Zweifel in ihr. Wie ein winziges Steinchen, das zwischen Socke und Schuhbett geraten war. Zuerst merkt man es kaum, doch je länger man es
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