Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Nachbarn oder Sorgen mit der Kuh im Stall. Als hätte er alle Zeit der Welt, hörte Helmut jedem zu, fast immer gab er einen Rat, der von den Leuten mal kritisch, mal freudestrahlend aufgenommen wurde. Manchmal kam er auf Ideen, die Hannah nie im Leben eingefallen wären! Mehr als einmal musste sie sich auf die Zunge beißen, um ihre Bewunderung nicht laut kundzutun – es tat ja nicht Not, dass der gnädige Herr noch eingebildeter wurde, als er eh schon war! Doch Helmut verstand sich tatsächlich mit allen, passte sogar seine Art zu reden seinem jeweiligen Kunden an. Anfangs hatte Hannah jedes Mal in sich hineingekichert, wenn er mit dem Schritt über die Türschwelle sein breites Schwäbisch verlor.
    »Man muss sich auf die Leute einstellen!«, hatte er ihr erklärt. Was zu funktionieren schien, denn bisher war er mit den Verkäufen mehr als zufrieden und sagte sogar, Hannah würde ihm Glück bringen!
    Ärgerlich starrte sie nun auf den Bauern, dessen rotes Gesicht durch das Kirschwasser noch röter geworden war. Auf solch einen groben Klotz waren sie bisher noch nicht gestoßen.
    Unter dem Tisch gab sie Helmut einen Tritt ans Schienbein, den dieser jedoch ignorierte. Warum sitzt er da und trinkt sich ausgerechnet mit Dolezil einen Rausch an!, ärgerte sie sich, als Helmut plötzlich sein Bestellbuch zückte.
    »Letztes Jahr hattest du vier Pfund vom Prager Kohlrabisamen, soll es diesmal genauso viel werden?«
    Der Bauer, der seinen Becher schon halb zum Mund geführt hatte, brummte etwas, was Helmut als Zustimmung zu betrachten schien, denn er begann, mit seiner kleinen Handschrift Zahlen ins Buch einzutragen.
    »Dann hatten wir drei Kilo vom Erfurter Weißkohl, dazu Rettiche, das war die Sorte …« Ohne sich weiter um sein Gegenüber zu kümmern, kritzelte Helmut in sein Bestellbuch. Schließlich klappte er es energisch zu und hob sein Glas.
    »Hannah, schenk nach!«, sagte er.
    Empört schaute sie ihn an, tat aber, wie ihr geheißen wurde.
    »Na, dann Prost, alter Haderlump!«
    Dolezils Gesicht sah inzwischen schon viel freundlicher aus, er schlug seinen Becher gegen den von Helmut. Dann rollte er geräuschvoll die klare Flüssigkeit in seinem Mund hin und her, schluckte und beugte sich erneut über den Tisch. Hannah würgte, als sie eine Welle heißen, schnapsschwangeren Atem abbekam.
    »Hilde, sag ich immer, das Zeugs vom Samenmann ist immer noch das Beste!«
    Danach ging alles rasch: Bohumil Dolezil setzte seineUnterschrift unter die Bestellung, lief ins Haus, um das Geld zu holen – wie im Jahr zuvor würden sie die Ware wieder Anfang des Jahres versenden –, und unter vielem Händeschütteln und Schulterklopfen versicherte er Helmut erneut, wie zufrieden er mit den Sämereien war.
    Nur mit Mühe unterdrückte Hannah ein Lachen. Helmut kannte seine Kunden, das musste man ihm lassen!
    Sie standen schon zum Abmarsch bereit, als eine Frau mit wehendem Rock um die Ecke kam.
    »Der Samenmann – du lieber Himmel! Hätt ich ihn fast verpasst!«
    Hannah wäre gern endlich aufgebrochen, aber ehe sie sich versah, war Hilde Dolezil dabei, ihnen eine Geschichte zu erzählen, in der es um einen Streit mit einer Frau von einem der benachbarten Gehöfte ging. Jahrelang habe sie – ausschließlich sie!, betonte Hilde – den Blumenschmuck für die Kirche im Dorf besorgt. Der Messner wäre immer so dankbar gewesen! Alle hätten ihre Blumen stets bewundert. Und nun, seit diesem Sommer, würde die Frau vom Nachbargehöft ihre Sonnenblumen, Ranunkeln und Lorbeergirlanden auf den Altar der Kirche tragen. Schon mehrmals war es deshalb zwischen Hilde und der Frau zum Streit gekommen, natürlich war der Messner über diese Situation sehr unglücklich, sogar der Herr Pfarrer war einmal Zeuge eines Wortwechsels zwischen den Frauen geworden. Der Herr Pfarrer, man stelle sich vor!
    »Die dumme Ziege lässt mir einfach keine Ruhe! Was soll ich nur tun?«, fragte Hilde verzweifelt und hielt dabei Helmuts Hände so fest, als erwarte sie, dass er eigenhändig die vorwitzige Nachbarin zur Vernunft brachte.
    Helmut warf Hannah einen verschmitzten Blick zu. »Das sollten Sie eigentlich die Samenhändlerin fragen – die kann bei solchen Problemen stets mit einem guten Rat aushelfen.«
    Wütend fuhr Hannah herum, doch schon im nächstenMoment spürte sie, wie sich Hildes flehender Blick auf sie richtete.
    »Wenn zwei sich streiten, freut sich für gewöhnlich ein Dritter«, sagte sie so bedeutungsvoll wie möglich, obwohl es das

Weitere Kostenlose Bücher