Die Samenhändlerin (German Edition)
auch meistens unter sich.« Käthe hielt Hannah die Platte mit dem Karpfen hin. »Willst du noch?«
Hannah schüttelte den Kopf. Alles, bloß nicht noch mehr von dem schwammigen Fisch! Sie nahm einen Schluck Wein, um gegen die aufkommende Übelkeit anzukämpfen. Sollte sie den beiden Frauen von der wüsten Beschimpfung durch den Bauern aus einem Nachbardorf erzählen, der die Gönninger allesamt für Trunkenbolde hielt? Besser nicht …
»Was heißt das, die Gönninger bleiben unter sich? Ich dachte, sie seien ständig auf Reisen?« Hannah runzelte die Stirn.
Wenn Helmut und ich Mann und Frau wären – würde er dann auch allein verreisen? Oder müsste ich mitkommen?
»Das schon, aber wenn’s ums Heiraten geht, schaut sich ein Gönninger lieber in seinem eigenen Dorf um. Und die Frauen halten es ebenso …« Emma blickte ihre Tochter an, die daraufhin emsig auf ihrem Teller zu rühren begann.
Hannahs Herz sank ein Stockwerk tiefer. Da hatte sie sich das scheinbar unverfänglichste Thema von allen ausgesucht, um sich von ihrer eigenen Misere abzulenken, und nun das: Die Gönninger suchten sich ihre Frauen unter ihresgleichen …
»Ich glaube, Gönningen ist ein ganz besonderes Dorf«, murmelte sie und wunderte sich über den sehnsuchtsvollen Klang ihrer Stimme. Sie hatte mit ihrer Bemerkung nur höflich sein, der Wirtin eine Freude machen wollen. Stattdessen erkannte sie, dass dieses Dorf sie tatsächlich zu faszinieren begann.
»Da hast du wohl Recht. Gönningen ist vom Glück beschienen«, sinnierte Emma Steiner. »Allein die Tausende von Obstbäumen auf unseren Wiesen, was für ein Reichtum! Es ist wirklich kein Wunder, dass andere Dörfer neidisch auf uns schauen. Wenn ich darüber nachdenke, wie elendig schlecht es den meisten im Land in den letzten Jahren ging, da hat Gönningen immer noch gut lachen.«
Obstbäume? Was haben die denn mit Reichtum zu tun?, wollte Hannah gerade fragen, als es laut und nachhaltig an der vorderen Tür klopfte.
9
»Ich wollte mir nur einmal das Weib ansehen, das behauptet, mein Sohn hätte es in Schande gebracht.« Gottlieb Kerners Miene war versteinert. Mit seiner rechten Hand bedeutete er Emma ungeduldig, sich zurückzuziehen. Sie hatte hinter der Theke Zuflucht genommen, kaum dass der alte Kerner und Helmut durch die Tür traten. Erst als er Emma durch die Küchentür verschwinden sah, wandte er sich wieder der Fremden zu.
Langsam stand Hannah vom Tisch auf, ging ein paar Schritte in die Mitte des Raumes und drehte sich dort um die eigene Achse. »Ist’s so recht?«
Wollte das Weib ihn auf den Arm nehmen? Kerner schaute sich zu Helmut um, auf dessen Gesicht sich ein verstohlenes Grinsen abzeichnete. Dem Burschen würde das Lachen noch vergehen, und wenn er ihm dazu eigenhändig eine Ohrfeige verpassen musste!
»Emma, bring was zu trinken. Und räum bitte die Essensreste weg!«, rief er in Richtung der angelehnten Küchentür. Wahrscheinlich drückten sich beide Weiber dahinter die Ohren platt, um nur ja kein Wort zu verpassen.
Es war nicht seine Art, bei anderen Menschen am Heiligen Abend einfach so hereinzuplatzen. Aber außergewöhnliche Situationen erforderten außergewöhnliche Maßnahmen, das hatte sich in seinem Leben immer wieder bestätigt. Und dass es sich hier um eine außergewöhnliche Situation handelte, stand für Gottlieb Kerner fest. Die Sache musste vom Tisch, je eher, desto besser! Dummes Gerede im Dorf konnte und wollte er nicht dulden.
Was Emma und ihre Tochter anging, würde er sich etwas einfallen lassen müssen. Er schnaubte, als ihm bewusst wurde, in welch unangenehme Situation Helmut ihn gebracht hatte: Zum einen war er der Wirtin etwas für den Überfall schuldig,zum anderen musste er dafür sorgen, dass sie den Mund hielt. Wahrscheinlich würde spätestens morgen nach der Kirche das halbe Dorf Bescheid wissen …
Er nickte in Richtung eines Tisches. »Setzt euch!« Ihm entging nicht, dass Helmut und die Frau zwei Stühle nebeneinander wählten. Aha, zwei Missetäter unter sich! Sehr zerknirscht sahen die beiden allerdings nicht gerade aus, ganz im Gegenteil: Helmut, der sich zu Hause gewunden hatte wie ein Aal, schien sich hier ausgesprochen wohl zu fühlen. Nun zwinkerte er dieser Hannah auch noch zu. Das reichte! Ohne Umschweife kam Kerner zur Sache.
»Was wollen Sie, junge Frau?«
Sollte sie doch ihren Preis nennen! Wenn er sich in einem realistischen Rahmen bewegte, war er zu jedem Zugeständnis bereit. Musste es sein. Wieder
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