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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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er und Marianne sich angeschaut hatten!Rechtschaffen entsetzt über die liederlichen Verhältnisse, die in Gönningen zu herrschen schienen … Ja, waren die beiden denn nie jung gewesen?
    Gottlieb Kerner zog an seiner Pfeife, als könne er damit nicht nur Tabak, sondern auch Weisheit inhalieren. Es gab Momente im Leben, wo der liebe Gott und die eigene Ehefrau wenig hilfreich waren … Und ein Apotheker erst recht nicht.
    Schweigen breitete sich um den Tisch aus. Während Helmut unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutschte, saß Hannah zumindest rein äußerlich gelassen da, trank einen Schluck Bier, lächelte Helmut an, als wäre dies ein alltägliches Zusammentreffen unter guten Freunden.
    Diese Frau schien nichts aus der Ruhe zu bringen. Gottlieb Kerner staunte. Und dass er staunte, erstaunte ihn ebenfalls.
    Er war 52 Jahre alt. War seit 36 Jahren auf der Reise. Es gäbe nichts, was er noch nicht gesehen hätte, behauptete er gern. Sein Rat war bei seinen Kunden sehr gefragt, nicht nur, wenn es um die Fruchtfolge von Möhren, Kohlrabi und Bohnen ging. »Wie gut, dass Sie kommen!«, bekam er unterwegs immer wieder zu hören. »Wir haben ein Problem, aber wir dachten, wir warten, bis der Samenhändler kommt.« Damit war für die Leute das Problem schon zur Hälfte gelöst. Ein trunksüchtiger Ehemann, Streit mit dem Nachbarn oder den Verwandten – ein Mann, so weltgewandt, so weit gereist, der musste doch auch für die Fragen des Alltags eine Antwort wissen. Und meistens hatte Gottlieb Kerner tatsächlich eine Lösung parat.
    Und nun saß er hier und war ratlos.
    Er seufzte. Dann wandte er sich Helmut zu: »Und du wärst gewillt, diese Frau zu heiraten?«
    Wie sich das anhörte! Als ob er der Herr Pfarrer höchstpersönlich wäre! Eilig nuckelte Gottlieb an seiner Pfeife.
    »Ja schon, aber …« Helmut machte eine hilflose Handbewegung.
    »Aber da gibt es noch diese andere Sache«, ergänzte Gottlieb für seinen Sohn.
    Diese andere Sache – statt sich für seine Wortwahl zu schämen, schöpfte er daraus neuen Mut. Besser, es wurden nun Nägel mit Köpfen gemacht, als die Angelegenheit weiter auf die lange Bank zu schieben. Diese Frau trug das Kind seines Sohnes unter ihrem Herzen. Ein Unglück gewiss, aber es veränderte die Sachlage nun einmal völlig. Helmut konnte Seraphine Schwarz jetzt nicht mehr heiraten. Richtig begeistert war er von der Wahl seines Sohnes ohnehin nie gewesen. Sicher, Seraphine war eine Schönheit, aber wenn er an ihren Vater dachte … Und das Schaffen hatte sie auch nicht erfunden, sonst wäre sie doch längst selbst auf die Reise gegangen, statt dies allein ihrem Tunichtgut von Vater zu überlassen. Wilhelmine war es, die Seraphine ins Herz geschlossen hatte. »Seraphine ist das schönste Mädle im Dorf, so zart und fein noch dazu – sie wird dir eine brave Frau abgeben.« Ständig hatte sie so auf Helmut eingeredet. Und zu ihm, Gottlieb, hatte sie immer wieder gesagt: »Sie wäre wie eine zweite Tochter für mich.«
    Tochter hin oder her, Wilhelmine war im Begriff, erneut Großmutter zu werden. Himmel noch mal, dann wurde er ja wieder Großvater! Gottlieb verschluckte sich so an seinem Pfeifenrauch, dass er prusten musste. Sofort sprang Hannah auf und klopfte ihm den Rücken. Er warf ihr einen nicht unfreundlichen Blick zu.
    So gesehen blieb Helmut gar keine andere Wahl. Diese Hannah war keine Frau, die sich mit ein paar Gulden auszahlen ließ, so viel stand fest! Die Verlobung mit Seraphine würde aufgelöst werden müssen. Wie ging so etwas eigentlich vonstatten? Gottlieb konnte sich an keinen ähnlichen Fall im Dorf erinnern. O weh, das würde ein Geschwätz geben! Da würde er sich noch etwas einfallen lassen müssen. Natürlich musste man Seraphine für die Schmach entschädigen. Und die Eltern gleichdazu. Am besten vereinbarte er in den nächsten Tagen einen Termin beim Advokaten in Reutlingen. Rechtsbeistand in solch einer heiklen Angelegenheit konnte nicht schaden, schließlich wollte sich seine Familie nicht nachsagen lassen, sie würden wie Lumpen handeln! Nein, nein, alles musste hoch offiziell und rechtens vonstatten gehen. Dass die Sache teuer wurde, schwante Gottlieb bereits. Aber was blieb ihm anderes übrig, als zu zahlen? Der Junge hatte einen Fehler gemacht, nun musste er wie ein Mann dazu stehen. Dazu hatte er seinen Sohn schließlich erzogen.
    Zufrieden mit sich und seiner Weisheit lächelte Gottlieb Kerner in die Runde.
    Eine halbe Stunde später umarmte

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