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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Valentin um.
    »Sie kommt aus Nürnberg und ist auf Besuch in Gönningen«, beendete Valentin den Satz seines Bruders. Dann packte er sowohl Helmut als auch seinen Vater am Arm und zog sie weg. »Und jetzt sollten wir alle schauen, dass wir nach Hause kommen. Sonst fällt mir mein Zeh, der eh schon halb erfroren ist, doch noch ab.«
    Fassungslos starrte Hannah der Familie nach, die eilig durch die Dunkelheit davonging.
    »Wer ist die Frau und was wollte sie? Ich frag dich jetzt zum letzten Mal!« Gottlieb Kerner zeigte mit seiner Gabel auf Helmut. Bratensoße tropfte auf das Tischtuch, was seine Frau Wilhelmine zu einem ärgerlichen Zischlaut veranlasste.
    Helmut schaute in die Runde. Seine Eltern, Marianne, seine Schwester, die zum Fest zusammen mit Ehemann und Sohn aus Reutlingen gekommen war, Valentin – sie alle starrten ihn an. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so in die Enge getrieben gefühlt. Verflixt, warum hatte Hannah ausgerechnet heute ihren großen Auftritt veranstalten müssen? Wenigstens saß nicht auch noch Seraphine mit ihrer Mutter hier am Tisch. Sie wollten zu Hause sein, für den Fall, dass Friedhelmheimkehrte. Andererseits, wenn sie hier wären, hätte er das Schlimmste mit einem Aufwasch hinter sich … Er stöhnte.
    »Helmut! Wenn du jetzt nicht den Mund aufmachst –«, drohte nun auch Wilhelmine Kerner. Ärgerlich starrte sie auf die Weihnachtsgans, die niemand am Tisch so recht würdigte.
    »Jetzt zier dich doch nicht so. Damals in Nürnberg hast du dich schließlich auch nicht geziert!«
    Entsetzt fuhr Helmut zu seinem Bruder herum. Valentin war wirklich wieder einmal eine große Hilfe! Fast flehentlich richtete er seinen Blick nach oben. Gleich würde es mit der stillen, heiligen Nacht vorüber sein.
    »Die Sache ist ein wenig kompliziert …«
    Appetitlos piekste Hannah ein Stück Karpfen auf. Sie hatte Karpfen noch nie gemocht, zu Hause gab es am Heiligen Abend stets eine große Schüssel Würstel und dazu einen Berg Kartoffelsalat. Zu mehr reichte die Zeit nicht, der Weg in die Kirche war weit, und vor dem Gottesdienst musste stets noch das ganze Wirtshaus geschrubbt werden.
    Karpfen! Andererseits wäre ihr heute wahrscheinlich auch die beste Nürnberger Bratwurst im Halse stecken geblieben. Resigniert schaute sie sich in der verwaisten Wirtschaft um. Zur Feier des Tages hatte Emma den Stammtisch eingedeckt. Hannah kam es so vor, als würden die drei Frauenstimmen in dem großen leeren Raum regelrecht hallen. Warum hatten sie nicht in der Küche essen können, wo es warm und gemütlich war? Ein bisschen wie zu Hause.
    Ach Mutter, du fehlst mir so!
    Um sich ein wenig abzulenken, fragte Hannah das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam: »Warum gibt es in Gönningen eigentlich so viele Wirtschaften? Hat das auch mit dem Samenhandel zu tun?«
    Emma und Käthe Steiner schauten sich an.
    »Ja und nein«, sagte Emma mit vollem Mund. Ihre Wangen waren gerötet von dem Glas Wein, das sie sich an diesem Abend genehmigt hatte. »Natürlich hat es damit zu tun, dass Samenhändler gern einmal ins Wirtshaus gehen. Vor allem im Frühjahr, wenn das Geld locker sitzt.«
    »Die Frauen auch!«, warf Käthe lachend ein.
    Emma nickte. »Aber es kommen ja nicht nur die Gönninger zu uns, sondern auch viele Reisende, die auf die Schwäbische Alb wollen. Gönningen ist schließlich eines der letzten Dörfer im Tal, bevor es hinaufgeht.«
    Hannah bemühte sich um eine interessierte Miene. Dabei schweiften ihre Gedanken immer wieder ab.
    Wie verängstigt Helmut geguckt hatte! Ob es ein Fehler gewesen war, ihn vor allen Leuten anzusprechen?
    »Und dann hatte Gönningen einstmals vier Mühlen, das heißt, dass viele Bauern aus der umliegenden Gegend zu uns kamen. Nachdem sie ihr Getreide abgeliefert hatten, war ein Krug Bier immer willkommen. Aber das war einmal …«
    Und dann dieses schöne Weib! Wahrscheinlich saß diese Seraphine jetzt bei Helmuts Familie am Tisch -
    »Aber die Marktleute kommen noch!«, ergänzte Käthe.
    Emma winkte ab. »Die zählen nicht. Deren Besuche zwei Mal im Jahr machen den Kohl nicht fett.«
    Käthe zuckte mit den Schultern. »Andere Dörfer wären froh, wenn sie das Marktrecht hätten.«
    Gegen diese Seraphine bin ich nur plump und hässlich! Angewidert schaute Hannah auf ihre weißen Arme. Wie das Fleisch aus den gerafften Ärmeln herausquoll!
    »Andere Dörfer wären froh, wenn sie einiges von Gönningen hätten!«, sagte Emma prustend.
    »Deshalb bleiben die Gönninger

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