Die Samenhändlerin (German Edition)
Gefühl, der großspurigen Frau einmal den Wind aus den Segeln genommen zu haben, dass er ihr Händeklatschen zuerst gar nicht mitbekam.
»Genauso machen wir es! Der Aufwand ist nicht der Rede wert, ich bin froh, wenn ich meine Leute beschäftigen kann. Aber ich danke Ihnen für den kleinen Hinweis.« Sie wandte sich zum Gehen.
Sprachlos und wie angewurzelt blieben die Brüder stehen.
»Kommen Sie, kommen Sie schon! Ich kann es kaum erwarten, mit Ihnen die genaue Zusammensetzung der Blumenmischung festzulegen!«, rief die Gräfin ihnen über die Schulter zu.
»Das wäre geschafft!«, sagte Helmut, als er und Valentin sich bei einem Krug Wein in einem Wirtshaus in der Stadt erholten. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir dieser Frau auch nur ein einziges Samenkorn verkaufen können.«
Valentin, der die Beine unter dem Tisch bis hinüber zuHelmuts Seite ausstreckte, grinste. »Dafür haben wir es doch ganz gut hinbekommen, oder? Deine Idee, unsere Margeriten als besonders naturnahe Sorte anzupreisen, war ausgesprochen gut! ›Hierbei handelt es sich nicht um eine künstlich hochgezüchtete Sorte, sondern um das, was der Garten Eden von allein hervorbringt‹« , äffte er seinen Bruder nach.
Helmut runzelte die Stirn. »Das ist ja alles schön und gut, aber jetzt mal ehrlich: So kann es nicht weitergehen!«
Valentin hob schläfrig eine Augenbraue. Er hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Nach dem langen Marsch durch die Winterluft wirkte die Wärme in der Wirtsstube geradezu einschläfernd.
»Ich habe langsam die Nase voll von all den Voraskovas, Bartakovas und Tscherkovs! Das hat doch mit unserem Samenhandel nichts mehr zu tun. Ich komme mir vor wie eine Mischung aus einem Zirkusaffen, einem Universitätsprofessor und einem tumben Toren. Und ich kann nicht behaupten, dass mir dieses Gefühl gefällt!«
Valentin hob seinen Krug Wein. »Darauf trinke ich! Und dann lass uns einen Happen zum Essen bestellen. Das viele Schwätzen hat mich hungrig gemacht«, sagte er, um ein wenig Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
Seit mehr als zwei Wochen waren sie nun schon mit dem Samenhandel beschäftigt, falls man ihre täglichen Aktivitäten überhaupt so nennen konnte.
Leonard hatte Wort gehalten und ihnen durch seine Kontakte Zutritt zu den feinsten Landhäusern rund um Odessa verschafft. Ihr erster Besuch hatte bei einem von Leas Nachbarn stattgefunden.
»Graf Tscherkov ist ein reizender Herr mit Sinn für die Schönheiten des Lebens«, hatte sie ihn beschrieben.
Die Schönheiten des Lebens, o weh … Wenn Valentin an den Garten des Grafen dachte, bekam er noch heute ein nervösesAugenzwinkern: vor dem Haus symmetrisch und schlicht, war er im hinteren Bereich derart überladen mit marmornen Bänken, Engelsfiguren, Springbrunnen und anderem Zeug, dass das Auge des Betrachters nach wenigen Schritten wild hin- und herhuschte. Kein Gehölz, das nicht in irgendeine Tierform gebracht worden wäre! Keine Biegung, hinter der nicht die nächste Überraschung wartete. Manche davon – etwa ein in Stein geschlagener Höllenschlund, aus dem eine Wasserfontäne schoss – waren so grotesk, dass es einen regelrecht erschreckte. Überhaupt schien Wasser das bestimmende Element im Tscherkovschen Garten zu sein: Kaskaden von Wasser, einzelne Brunnen, Grotten, in denen es vor sich hin plätscherte, Kanäle – an einem Wegstück sogar Wasserstrahlen, die durch irgendeine geheimnisvolle Technik ausgelöst wurden und sie nass gespritzt hatten! Blumen- und Staudenbeete spielten offenbar eine untergeordnete Rolle. Seine Anlagen würden auf die jahrhundertealte »Manieristische Gartentradition« zurückgehen, hatte Tscherkov ihnen erklärt.
Außer zwei Dutzend Rosenstöcken hatte der Graf jedoch nichts gekauft, das Angebot der Brüder war ihm zu »ordinär«. Er erklärte ihnen, dass er eigens für seine Gärten zwei Blumensammler eingestellt hatte, »rastlose Individuen« nannte er sie, die nichts anderes taten, als die Welt auf der Suche nach neuen, exotischen Blumen und Pflanzen für die gräfliche Sammlung zu bereisen.
Manche Herrschaften hatten selbst kein Interesse, die Samenhändler zu treffen, sondern schickten stattdessen ihre Gärtner. Von diesen wurden die Brüder durch riesige Gewächshäuser geführt, in denen Lilien und Rosen, seltene Orchideengewächse und allerlei andere Schönheiten vorgetrieben wurden oder überwinterten. Hier war Blumensamen gefragt! Einfach war das Handeln dennoch nicht, denn die Gärtner wollten
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