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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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alles ganz genau wissen. Bei welcher Temperatur dieKeimfähigkeit dieses Samens lag, wie es sich mit der Frostempfindlichkeit jener Sorte verhielt, wie mit der Sortenreinheit einer anderen. Viele Fragen wussten die Brüder zu beantworten, bei manchen mussten sie sich aufs Raten verlegen. Die Art, wie sie hier behandelt wurden, schmeckte den beiden nicht. Ganz und gar nicht. Immerhin hatten sie inzwischen einen Großteil ihrer Ware an den Mann gebracht, nur auf den meisten Rosenstöcken waren sie bisher sitzen geblieben. Gerade auf den Rosen, auf die sie so große Hoffnungen gesetzt hatten!
    »Ich glaube, wir sollten den feinen Herrenhäusern den Rücken kehren und für unseren restlichen Bestand nach ganz normaler Kundschaft Ausschau halten«, sagte Helmut. Mit den Zähnen riss er ein Stück saftiges Fleisch von einem Hühnerschenkel ab. Fett tropfte neben seinem Teller auf die Tischdecke. »Ich meine, in Odessa gibt es doch genügend Geschäftsleute mit kleineren Häusern und kleineren Gärten als denen, die wir bisher besucht haben.«
    Valentin nickte. »Keine schlechte Idee. Leonards Hilfsbereitschaft in allen Ehren, er wollte uns ja nur einen Gefallen tun, indem er uns die Adressen der feinen Häuser gab, aber –«
    »Gefallen tun!«, fiel Helmut ihm mit vollem Mund ins Wort. »Der wollte doch nur angeben!«
    »Das glaube ich nicht. Er und Eleonore sind ja wirklich in diesen Kreisen zu Hause. Und die Töchter sowieso!«
    »Aber ich habe die Nase voll von all den Wichtigtuern!«, erwiderte Helmut. »Morgen sehen wir zu, dass wir unsere Rosen an den Mann bringen, und dann kümmern wir uns um die Heimreise.« Er lächelte versonnen. »Ich kann es kaum erwarten, mal wieder ein breites Schwäbisch zu hören.«
    »Und mit ganz normalen Leuten zu tun zu haben«, fügte Valentin hinzu.
    »Und in einem Gasthaus zu essen, in dem du nicht ständigeine Tischdecke im Weg hast«, sagte Helmut und hob das gestärkte weiße Tuch hoch, das nach ihrem Mahl mit Soßenflecken übersät war.
    »Und ich freue mich auf Seraphine!« Valentin atmete tief durch. »Jede Nacht muss ich an sie denken. Es ist schön zu wissen, dass sie zu Hause auf mich wartet.«

29
    Sie hatten Glück: Drei Tage später fuhr das nächste Schiff von Odessa Richtung Galati ab. Sowohl Leonard als auch Eleonore ließen es sich nicht nehmen, die Samenhändler mit einer Kutsche bis zum Hafen zu bringen. Beide waren traurig, dass die schwäbischen Verwandten die Heimreise antraten, Eleonore war seit Helmuts Ankündigung, so bald wie möglich aufbrechen zu wollen, immer wieder in Tränen ausgebrochen. Um sich abzulenken, kaufte sie etliche hübsche Geschenke für die unbekannte Verwandtschaft im Schwabenland ein.
    Auch wenn sie Leonards Familie lieb gewonnen hatten, war Valentins und Helmuts Vorfreude auf Gönningen so groß, dass es ihnen schwer fiel, Abschiedsschmerz zu heucheln.
    Doch als sie ihre Verwandten schließlich ein letztes Mal umarmten, während der Kapitän schon ungeduldig nach ihnen rief, liefen auch ihnen Tränen über die Wangen.
    »Wir kommen wieder«, flüsterte Helmut Eleonore ins Ohr, während sie sich an ihn klammerte, und er glaubte es in diesem Augenblick auch.
    »Grüßt mir die Heimat«, flüsterte Eleonore tränenerstickt. »Und vergesst nicht euer Versprechen, auf den Rotenberg zu gehen und Königin Katharina schöne Blumen von mir aufs Grab zu legen.« Nun schluchzte sie hemmungslos.
    Leonard löste Eleonores Hand von Helmuts Arm. Liebevoll zog er seine Frau an sich.
    »Geht, ihr Glücklichen, geht! Die Heimat ist halt doch die Heimat …«, murmelte er vor sich hin.
    »Leonards Bemerkung vorhin … Ich bekomme sie nicht mehr aus dem Kopf.« Es war Valentin, der das lange Schweigen zwischen ihnen brach.
    Helmut hob fragend die Augenbrauen.
    »Na, das mit der Heimat! Wir sind wirklich Glückskinder, oder? Wohin wir auch gehen – ob nach Böhmen, ins Elsass oder noch weiter fort –, wir Samenhändler sind eigentlich immer auf dem Weg nach Hause. Ganz gleich, wie weit wir von Gönningen entfernt sind, ob es zehn Meilen sind oder tausend – immer geht’s heim. Das ist schon tröstlich …«
    Seit Stunden waren sie auf dem Schiff, und eine seltsame Stimmung hielt die Samenhändler gefangen: wieder ein neues Schiff, ein fremder Kapitän, fremde Mitpassagiere – alles aufregend, anstrengend, und dennoch war das Neue inzwischen alt, die Geschäfte waren erledigt. So hätten die beiden am liebsten einen Zauberspruch gemurmelt, der

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