Die Samenhändlerin (German Edition)
Und es wäre doch besser, den Samen zu verkaufen, als ihn insSchwarze Meer zu werfen, oder? Sehr viel mehr Möglichkeiten sah er leider nicht …
Valentin atmete einmal tief durch. »Gnädige Frau, verzeiht mir meine dumme Frage, aber um Eure Gartenanlage zu verstehen, bin ich gern bereit, mich der Lächerlichkeit preiszugeben …« Es fehlte nicht viel, und er hätte einen Lachanfall bekommen. Wenn’s mit dem Samenhandel mal nicht mehr klappt, können wir immer noch ans Königliche Hoftheater nach Stuttgart gehen, schoss es ihm durch den Kopf. Zwei solch gute Schauspieler nimmt König Wilhelm sicher mit Handkuss auf. Der Gedanke weckte einen neuen Lachreiz.
»Ja?« Die Gräfin warf ihm über den dicken Pelzkragen einen Blick zu.
Valentin deutete auf die riesige Brücke, die zu ihrer Rechten einen nicht allzu großen See überspannte. Eine Gruppe schwarzer Schwäne zog auf dem grünlich schimmernden Wasser malerische Kreise.
»Wohin führt die Brücke? Ich meine, Euer Anwesen liegt doch weiter rechts, wenn ich nicht völlig die Orientierung verloren habe.«
Die Gräfin lachte ein perlendes Lachen.
»Wohin die Brücke führt – das ist herzig! Nirgendwohin! Aber sagen Sie selbst: Würde nicht etwas fehlen, wäre sie nicht just an diesem Platze?«
Die Brüder murmelten Zustimmung, während die Gräfin ihnen erklärte, dass der See eigentlich gar kein See war, sondern ein aufgestauter Bach.
»So, wir sind angelangt!« Die Augen der Gräfin wanderten über eine Auenlandschaft, die sich hinter der Brücke und dem See bis weit über die bisherigen Ausmaße des Gartens erstreckte. Jetzt, im Winter, war das Gras noch blass und müde, die Gruppen von Büschen nur zum Teil belaubt. Die weiten Grasflächen wurden immer wieder von unschönen Gräben inrunder oder geschlängelter Form unterbrochen, die seltsam anmuteten. Valentin runzelte die Stirn, verkniff sich jedoch jegliche weitere Frage.
Gräfin Voraskova war sein Blick allerdings nicht entgangen. »Noch letztes Jahr befanden sich hier ganze Broderien aus Blumen – diese Schande habe ich im Herbst entfernen lassen. Die Erde wie ein Brautkleid mit Spitzenumrandungen zu schmücken ist doch schrecklich en passé, finden Sie nicht auch?«
»Nun ja, in Frankreich sind solche Moden durchaus noch zu finden. Aber wir wissen ja alle – die Franzosen …« Helmut hüstelte geziert. »Wenn alle so dächten, wären wir binnen einer Woche bankrott«, murmelte er Valentin zu, der ein Kichern unterdrückte, indem er es in ein Räuspern verwandelte. Helmut, der alte Aufschneider! Was wusste der schon von den Moden in Frankreich!
»Diese feinen Rasenflächen sind also Euer neuestes Projekt«, hob er an. »Meiner Ansicht nach ist dieser Rasen nahezu perfekt. Kein Unkraut, keine Maulwurfshügel.« Hier war wieder kein Geschäft zu machen, dachte er ärgerlich. Grassamen hatten sie nicht im Angebot. Hätten sie von Anfang an gewusst, dass es darum ging, hätten sie sich diesen weiten Marsch ersparen können!
»Das ist es ja!«, rief die Gräfin. »Der Rasen ist zu perfekt! Oder haben Sie jemals in der freien Natur eine so ordentliche Fläche gesehen?«
»Und was wollen Sie, äh … was wollt Ihr nun tun?« Valentin zog lautstark die Nase hoch, bis er sich daran erinnerte, dass sich dies in Gegenwart einer so feinen Dame am allerwenigsten gehörte.
Die Voraskova lächelte und zeigte dabei eine Reihe gelber Zähne.
»Zurück zur Natur!, würde ich sagen. Ich möchte aus diesen Flächen blühende Blumenwiesen machen. Und da kommtIhr Samen gerade zur rechten Zeit. März und April ist doch für die meisten Blumenarten die beste Saatzeit, oder?«
»Aber … wie …« Helmut schluckte. Er schaute sich um. »Entschuldigt meine Offenheit, aber wisst Ihr, wie aufwändig sich Euer Projekt gestalten würde? Natürlich haben wir geeignete Blumensamen – Duftveilchen, Ehrenpreis, Margeriten –, wundervolle Sorten, die Euren Garten Eden vollenden würden. Und die Zeit für eine Aussaat wäre in der Tat perfekt, aber dafür müsste der komplette Rasen abgetragen und neu angelegt werden! Den Blumensamen einfach zwischen das Gras zu werfen und auf ein Anwachsen zu hoffen, wäre vergebliche Liebesmüh.«
»Genau!«, bestätigte Valentin. »Der Rasen müsste fort, der Boden mit Lehm und Torf neu aufbereitet werden. Dann erst könnten Blumen- und Grassamen ausgesät werden.« Ha, das würde der Gräfin ihre Hochnäsigkeit vergehen lassen!
Valentin sonnte sich derart in dem
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