Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
beschert? Du bist Diener von König Enma, du musst es doch wissen!«
Hiroshi sagte zunächst nichts. Es hätte mich auch gewundert, wenn er es getan hätte. Kein Diener Enmas gab die Geheimnisse seines Herrn einer Sterblichen preis, mochte sie auch von den Göttern auserwählt worden sein.
Doch dann erinnerte ich mich wieder an meinen Vorsatz. Nicht klein beigeben, wenn er Fragen auswich.
»Nun?«, hakte ich respektlos nach. »Hast du dazu nichts zu sagen?«
Hiroshi schnaufte. »Ich hätte eine Menge dazu zu sagen, doch das Reich der Toten geht die Lebenden nichts an. Sie werden es früh genug kennenlernen.«
»Dann ist Kanehiras Bruder oder Schwester tot? Oder warst du es letztlich selbst, der sie geholt hat?«
Auf einmal sah ich ein, dass es doch keine gute Wahl gewesen war, ihm diese Geschichte zu erzählen.
Ich presste die Lippen zusammen und stieg dann auf mein Pferd. Es gab nichts, mit dem ich Enmas Diener zum Reden bringen konnte. Auch wenn er ganz offenbar etwas von der Sache wusste.
»Ich habe sie nicht geholt«, sagte Hiroshi, als er ebenfalls im Sattel saß. »Und wahrscheinlich stellst du dir die Sache vollkommen anders vor, als sie wirklich gewesen ist. Der Tod treibt keinen Handel mit den Menschen.«
»Weißt du denn etwas über ihr Schicksal?«, bohrte ich nach. »Kanehira berichtete mir, dass seine Mutter noch lange Zeit danach an einem kleinen Schrein geopfert hatte. Und dass sie nach wie vor die Hoffnung hatte, ihr Kind wiederzusehen. Auch Kanehira glaubt, dass es noch leben könnte.«
»Alles zu seiner Zeit, Tomoe-chan«, brummte Hiroshi. »Denk an unsere Aufgabe. Dadurch, dass wir auf Fürst Yoshinaka getroffen sind, haben wir wertvolle Zeit verloren. Denk daran, was die Alte gesagt hat: Der Zugang zum Palast des Drachenkönigs ist nur während einer bestimmten Zeitspanne offen. Verschließt er sich, müssten wir ein ganzes Jahr warten. Bis dahin ist Takeshi längst tot.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, gab ich niedergeschlagen zurück, was Hiroshi erneut schnaufen ließ.
»Wenn wir unsere Aufgabe erledigt haben, werde ich versuchen, dir zu erklären, was damals mit dem Kind geschehen ist. Wenn du es dann noch wissen willst. Und jetzt komm, wir müssen uns beeilen.«
26
In den folgenden beiden Tagen und Nächten ritten wir ohne eine größere Pause durch, begleitet von Regenschauern, die sich mit gleißendem Sonnenlicht abwechselten. Einmal rieselten sogar ein paar Schneeflocken auf uns herunter, doch meine Befürchtung, dass sie liegen bleiben und die Wege in Eisbahnen verwandeln könnten, bewahrheitete sich nicht.
Wenn mich die Müdigkeit packte, schlang ich die Zügel fest um meine Handgelenke, damit ich nicht herunterfiel, lehnte mich an Akihikos warmen Hals und ließ mich von den Bewegungen seines Körpers wiegen. Hiroshi selbst schlief nicht. Wenn ich die Augen wieder aufschlug und mich im Sattel aufrichtete, ritt er steif neben mir, den Blick stets nach vorn gerichtet, als könnte er unser Ziel bereits sehen.
Unterwegs begegneten uns Holzfäller und Bauern, einmal ritten wir an einem mächtigen Ochsenkarren vorbei, der sich einen schlammigen Weg hinaufquälte. Mein Ansinnen, dem Lenker des Gefährts zu helfen, lehnte Hiroshi ab mit dem neuerlichen Verweis auf die Zeit, die wir durch Yoshinakas Auftauchen verloren hatten.
Yoshinaka. Es verging kaum eine Stunde, in der ich nicht wenigstens kurz an ihn dachte und mich fragte, was er wohl gerade tat. Übte er das Kämpfen? Nach solch einer Verletzung wäre das bestimmt sinnvoll. Was machte seine Wunde? Würde er eine große Narbe zurückbehalten?
Neben diesen Gedanken gingen mir auch noch andere durch den Kopf, doch ich hütete mich, ihnen länger nachzugehen. Ich lenkte mich stattdessen damit ab, Hiroshi irgendwelche belanglosen Fragen zu stellen, mit denen ich ihm sichtlich auf die Nerven ging.
Am dritten Tag erreichten wir schließlich unser Ziel.
Über dem Biwa-See lag bei unserer Ankunft eine dichte Dunstglocke, die jegliches Geräusch zu verschlucken schien. Ein paar Wasservögel flatterten auf, als sie uns bemerkten, doch sie flogen mit stummen Schwingen über uns hinweg. Mir gefiel die Stille nicht, zumal ich wieder einmal den Eindruck hatte, als würden wir beobachtet. Schattenkrieger waren uns bestimmt nicht hierher gefolgt, aber vielleicht lebten hier die schrecklichen roten Dämonen? Durch die Ereignisse um Fürst Yoshinaka waren sie ein wenig in Vergessenheit geraten, doch die Atmosphäre dieses Ortes war so
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