Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
nicht für eine Ausreißerin halten. »Ich habe kein Zuhause mehr. Die Naginata ist alles, was mir geblieben ist.«
Der Mönch legte die Stirn in Falten, die aussahen, als würde sich ein Wasser kräuseln. »Hast du keine anderen Verwandten mehr? Was ist mit dem Dorf, in dem du gewohnt hast?«
»Das Dorf ist sehr weit von unserer Hütte entfernt, dort kennt mich kaum jemand. Außerdem … « Ich stockte. Sollte ich ihm von meinem Vorhaben erzählen? Mein Verstand zögerte noch, doch mein Herz war der Ansicht, dass es nicht schaden könnte. Immerhin waren diese Mönche auf der Wanderschaft, vielleicht wollten sie zufällig nach Heian?
»Ich habe vor, zum Kaiser zu gehen und ihn zu bitten, die Ungerechtigkeit, die meinen Eltern widerfahren ist, zu sühnen.«
Die Mönche sahen mich an, als hätte ich ihnen einen goldenen Buddha versprochen. Dann brachen einige von ihnen in Gelächter aus, was ich nicht verstehen konnte. Warum war es lustig, dass ich den Kaiser um Gerechtigkeit bitten wollte?
»Weshalb sollte sich der Kaiser für dein Anliegen interessieren?«, fragte der Anführer der Mönche, nachdem er seine Begleiter zum Schweigen gebracht hatte.
»Es waren Steuereintreiber, die meine Eltern getötet haben.«
Jetzt ging ein Raunen durch die Gruppe der Mönche.
»Bist du dir sicher?«, fragte ihr Anführer. »Das ist eine schwerwiegende Beschuldigung, musst du wissen.«
»Als ich meine Mutter fand, konnte sie noch ein paar Worte sprechen. Sie sagte, dass es Steuereintreiber gewesen seien.«
»Vielleicht hatten sich Räuber als Steuereintreiber verkleidet«, warf der Mönch, der mich eingefangen hatte und Hiroshi hieß, ein. »Das tun sie manchmal, um ihre Tat zu verschleiern.«
»Genauso gut könnten es verkleidete Taira gewesen sein, die Unfrieden stiften wollen, indem sie sich für Steuereintreiber ausgeben«, entgegnete ein weiterer Mönch. Er schien etwas älter als Hiroshi zu sein und saß zur Rechten des Abtes auf einem grauen Pferd mit schwarzem Schweif.
»Ja, all das ist möglich, doch das herauszufinden sollten wir nicht dem Kaiser überlassen«, entgegnete der älteste Mönch, dann wandte er sich wieder an mich. »Du musst wissen, dass der eigentliche Kaiser nicht mehr viel zu sagen hat. Die Taira haben die Kontrolle über den Kindkaiser Antoku gewonnen, der in ihren Händen bloßes Wachs ist. Sollten nun wirklich Taira hinter dem Verbrechen stecken, würde der Kaiser keinen Finger krumm machen, um es zu sühnen. Und die Taira würden sich insgeheim ins Fäustchen lachen, dass ihnen das Unternehmen gelungen ist. Schlimmstenfalls würden sie versuchen, dich zum Schweigen zu bringen. Es ist ohnehin ein Wunder, dass du entkommen konntest.«
Wieder wanderte der Blick des Anführers auf meine Naginata. Mehr denn je wurde mir nun bewusst, wie unzulänglich sie war. Die Mönche trugen ebenfalls Schwertlanzen, von denen die meisten einen hübsch verzierten oder mit Leder umwickelten Griff hatten. Auf der Klinge des Meisters prangten kleine Gravuren, Blattranken und Schriftzeichen, die vielleicht Glück verhießen. Meine Naginata dagegen war nur ein Besenstiel mit einer rostigen Schwertklinge.
Anscheinend glaubte der Mönch, dass ich mich gegen die Steuereintreiber, oder wer auch immer sie waren, zur Wehr gesetzt hätte.
»Ich denke, ich hatte einfach nur Glück, Herr«, antwortete ich, während ich beschämt den Kopf senkte. Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass ich mit dieser Naginata etwas gegen die Mörder hätte ausrichten können. Oder nahm er das an, weil er immer noch Blutspuren an der Klinge sah? »Meine Mutter hatte mich kurz zuvor in den Wald geschickt, um Holz zu holen. Als ich wiederkam, stand die Hütte in Flammen und meine Familie war tot.«
»Wie lange hast du denn im Wald herumgetrödelt?«
»Es war noch zur Zeit des Winters«, setzte ich schnell hinzu. »Es lag sehr hoher Schnee, und ich musste ziemlich tief in den Wald hinein, um überhaupt Holz zu finden.«
»Dann hat dich wohl das Schicksal geschont, wie?«, fragte Hiroshi mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, fast so, als würde er träumen oder etwas sehen, was anderen verborgen blieb.
»Ich weiß nicht, wer oder was mich geschont hat, doch ich bin ihm dankbar und würde ihm in einem Schrein jederzeit ein Opfer darbringen.«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann fragte der Anführer: »Kannst du mit deiner Waffe überhaupt umgehen? Du erscheinst mir noch recht jung.«
»Mein Vater hatte begonnen, mich das Kämpfen
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