Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
zu lehren.« Es war nicht außergewöhnlich, dass Frauen das Kämpfen erlernten. Wenn die Männer in den Dörfern und Städten unterwegs waren, was tagelange Reisen bedeuten konnte, dann musste jemand da sein, der die Familie und die Reisfelder beschützte und notfalls verteidigte. Kein Bauer konnte sich einen bezahlten Krieger leisten, also wurden die Frauen im Umgang mit der Schwertlanze ausgebildet.
»Ich nehme an, dass dein Vater auch deine Mutter unterrichtet hat.«
Ich nickte. »Ja, Herr, so ist es.«
»Dein Vater war in der Waffenkunst bewandert?«
»Er war früher einmal ein Mönch, bevor er meine Mutter kennenlernte und heiratete.«
»Nun, dann lass uns doch einmal sehen, was dir beigebracht wurde.«
»Aber Herr, ich habe keinen Grund zu kämpfen.«
»Ein Übungskampf erfordert nicht immer einen Grund«, gab der Mönch zurück. »Aber ich würde gern sehen, was du alles kannst. Vielleicht haben wir Verwendung für dich.«
Ich wusste nicht, was er damit meinte, doch ehe ich michs versah, rief er einen der jungen Mönche nach vorn.
»Taketsuna, versuch du dein Glück gegen Tomoe.«
Der junge Mann sah seinen Meister entgeistert an. »Aber Herr, sie ist noch ein Kind.«
»Ein Kind, das eine Lanze bei sich trägt. Wenn du wirklich der Meinung bist, dass sie dir das Wasser nicht reichen kann, solltest du nachsichtig sein.«
Taketsuna hatte keine andere Wahl, er musste gegen mich antreten. Worüber ich ebenso wenig begeistert war wie er. Murrend stieg er aus dem Sattel und zog seine Waffe. Selbst sie war wesentlich schöner gearbeitet als meine rostige Naginata. Als Taketsuna sie sah, schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
»Meister, meint Ihr nicht, dass dieses Mädchen, wenn sie schon gegen mich kämpfen muss, eine andere Waffe erhalten sollte? Ihren Zahnstocher zerteile ich doch gleich mit dem ersten Hieb.«
Ich brauchte nicht einmal versuchen, Taketsuna besonders böse anzustarren, das kam von allein. Meine Waffe war zwar nicht besonders schön – ihre rostige Klinge konnte dennoch böse Verletzungen schlagen.
»Sei nicht hochmütig!«, mahnte ihn sein Meister. »Dein Gegner mag klein erscheinen, aber vielleicht trägt er in sich eine Kraft, die deiner überlegen ist.«
»Ja, Meister«, antwortete der Novize, doch als er sich mir zuwandte, war sein Lächeln voller Hohn.
Ich nahm die Worte des Anführers als Ansporn. Ich wollte diesen Kampf nicht, doch gab es einen Ausweg? Mein Zurückweichen hätte gewiss meine Familie entehrt und mir selbst große Schande bereitet.
Taketsuna schwang seine Naginata einmal lässig ums Handgelenk, wobei die Klinge, während sie die Luft teilte, ein silbrig helles Singen von sich gab.
Ich beobachtete ihn genau. Auch ohne viel Erfahrung im Kampf wusste ich, dass ein Gegner, der glaubt, einen unerfahrenen Kämpfer vor sich zu haben, schnell leichtsinnig wurde. Taketsuna machte da keine Ausnahme. Sein erster Hieb war nachlässiger als alles, was ich von meinem Vater zu Beginn meiner Ausbildung gesehen hatte. Ich fing den Schlag mühelos auf, ohne zu viel von meinem Können preiszugeben. Ein Zucken ging durch Taketsunas Gesicht, als er mich abschätzend musterte. Leuchteten meine Augen etwa verräterisch? Spielte ein Lächeln um meine Lippen?
Der nächste Hieb kam von vorn und war wesentlich schlechter zu parieren. Bei Hieben dieser Art hatte mein Vater entweder nur einen Stock verwendet oder die Klinge dick in Reisstroh eingewickelt, damit er mich nicht aus Versehen tötete. Ich war nur eine Tochter und er mochte seinen Sohn später bevorzugen, aber ich war für ihn niemals wertlos – eine Haltung, die nicht alle Männer seines Alters teilten.
Anstelle einer abgepolsterten Klinge raste nun eine blanke, messerscharfe auf mich zu, so genau und schnell, dass mir nichts anderes übrig blieb, als zurückzuspringen. Fast glaubte ich, sie würde mich dennoch berühren, doch als ich mir für einen Moment erlaubte, nach unten zu sehen, bemerkte ich, dass die Spitze meinen Kittel in Brusthöhe nur etwas eingeschnitten hatte. Nicht tief genug, um meine Haut sichtbar zu machen, nicht tief genug, um mein Blut zu vergießen. Doch immerhin war mir mein Gegner nahe genug gekommen, um mir eine Erkenntnis zu liefern. Wenn ich diesen Kampf überleben wollte – und ich zweifelte nicht daran, dass niemand mir helfen würde, wenn Taketsuna vorhatte, mich zu töten – , musste ich dieses Gefecht schnell gewinnen, indem ich ihn kampfunfähig machte.
Ich ging also zum
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