Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Vorschlag. Wir brauchen in unserem Kloster stets Hilfe, um alles instand zu halten. Wenn wir ausreiten, lassen wir immer ein paar Mönche zurück, die uns bei unserer Rückkehr empfangen. Hin und wieder kommen Leute aus den Dörfern zu uns, um uns zu helfen, aber sie müssen sich auch um ihre eigenen Felder kümmern.«
Ich wollte nicht schon wieder fragen, was der Abt meinte, aber auf einmal überkam mich eine seltsame Erregung.
»Wenn du bereit bist, gewisse Arbeiten in der Küche und sonstwo auf dem Gelände zu übernehmen, werden wir dich im Gegenzug das Kämpfen lehren. Das richtige Kämpfen, nicht das Herumgestochere, das die Bauern lernen und mit dem sie gegen echte Krieger nicht die geringste Chance haben. Wenn du dir alles fleißig aneignest, was wir dir beibringen können, wirst du eines Tages eine gefürchtete Kämpferin werden, die es wagen kann, allein nach Heian zu gehen und sich selbst den Taira entgegenzustellen.«
Diese Worte hörten sich großartig an, jedenfalls für den Teil meines Verstandes, dem es nach Rache dürstete. Der andere Teil jedoch fragte sich, wie lange diese Ausbildung dauern würde. Was brachte es mir, wenn ich zehn Jahre in dem Kloster blieb und kämpfen lernte? Und schlimmer noch: Was würden die Geister meiner Ahnen dazu sagen, dass ich mir so viel Zeit ließ, um sie zu erlösen?
Obwohl ich meine Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte, lehnte sich der Anführer der Mönche auf seinem schön verzierten Sattel vor und sagte dann: »Deine Ahnen werden dir die Verzögerung nachsehen. Gewiss wollen sie nicht, dass du kurz vor Erreichen deines Ziels den Tod findest, oder? Wenn du dich zu ihnen gesellst, wird es niemanden geben, der ihnen den Weg weisen kann. Sie werden klagende Geister werden, wenn es schlimm kommt, sogar Rachegeister, die niemals Erlösung finden.«
Ich dachte an meine arme Mutter und meinen Vater, an meine Geschwister, die mich geliebt hatten. Nein, sie würden gewiss nicht wollen, dass mir irgendetwas zustieß. Beschämt schüttelte ich den Kopf.
»Nein, das will ich nicht. Aber wenn Ihr es mir gestattet, so nehme ich Euren Vorschlag gern an.«
Der Anführer sah mich daraufhin noch eine Weile an, dann wandte er sich an den Mönch, der mich eingefangen hatte.
»Hiroshi, ich bestimme dich zu Tomoes Lehrmeister. Du wirst ihr beibringen, wie man richtig kämpft. Anschließend werden wir sehen, welche Verwendung wir für sie haben.«
»Wie Ihr wünscht, Sensei«, entgegnete der Mönch mit einer demütigen Verneigung.
»Gut, dann sollten wir jetzt zurückkehren. Die Räuber hatten genug Zeit, um sich zu verstecken, heute treiben wir sie nicht mehr aus ihren Löchern heraus.«
Während Taketsuna wie ein geschlagener Hund zu seinem Pferd zurückkehrte, reichte Hiroshi mir die Hand, die mit einem kostbaren Handschuh aus Leder bedeckt war. Offenbar war auch er einst als Sohn eines reichen Mannes zur Welt gekommen und hatte sich nach der Ausbildung entschieden, im Kloster zu bleiben.
»Du reitest mit mir.«
Ich musste ihn wohl verwundert angesehen haben, denn er setzte ungeduldig hinzu: »Nun komm schon, lass dich nicht bitten. Oder willst du den ganzen Weg gehen? Unterwegs werden dir die Geta von den Füßen fallen.«
Als ich zögerlich seine Hand ergriff, hob mich Hiroshi erneut vollkommen mühelos hoch, bugsierte mich aber hinter sich auf die Kruppe des Pferdes. Ich konnte nur über seine Kraft staunen.
»Halt dich besser fest, wir haben noch ein ziemliches Stück Weg vor uns und sind es nicht gewöhnt, langsam zu reiten«, mahnte er mich. »Wenn ich dich unterwegs verliere, wird dir nichts anderes übrig bleiben, als hinter uns herzulaufen.«
Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen und klammerte mich an sein Gewand.
4
Um zum Kloster auf dem Berg Hiei hinaufzugelangen, ritten wir einen schmalen, jedoch tief ausgetretenen Pfad entlang, der sich wie eine Schlange auf den mächtigen Felsen hinaufwand. Abgestorbenes Gras säumte den Wegrand, doch hier und da entdeckte ich in dem trockenen gelben Gestrüpp einen grünen Halm, der davon kündete, dass auch hier der Frühling allmählich einzog.
Anfangs jagte mir der Anblick der Berge bestenfalls tiefe Ehrfurcht, aber keine Angst ein, doch das änderte sich, als wir in einiger Höhe angekommen waren und ich zur rechten Seite in eine tiefe, dicht bewaldete Schlucht hinabschaute.
Wer hier abstürzte, war verloren. Ich klammerte mich regelrecht an Hiroshi fest, was dieser mit einem verärgerten Murren
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