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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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allgemeinen, er habe nichts empfunden, als er in seiner Zeit beim Mobilen Einsatzkommando jenem Jungen, der mit einem Schrotgewehr herumfuhrwerkte, ein Loch in den Bauch geschossen habe. Und auch nicht, als er während der Tet-Offensive diesen einen Vietkong von Angesicht zu Angesicht getötet habe. Aber er sagte sich im gleichen Atemzug, daß er nie einen Menschen töten würde, wenn es nicht zwingend nötig war.
    Und in bezug auf Manny Lopez hatte er von jetzt an größere als nur normale Ressentiments. Viel größere.
    Es war, als würde man eine Schallplatte mit zu schneller Umdrehungszahl abspielen. Die Ereignisse jagten sich. In diesen Canyons passierte mehr, als die Medien verkraften konnten. Es sah so aus, als sei ihr Glück grenzenlos. Die judiciales, zum Beispiel, nahmen wegen dieses langhaarigen Gangsters mit dem 22er Gewehr Kontakt mit ihnen auf. Allem Anschein nach glaubten die judiciales, daß er mit einem Typ aus der Stadt identisch war, der vor zwei Jahren eine Frau niedergeschossen und vergewaltigt hatte. Er hatte sie tödlich verletzt liegengelassen, und als ihr Bruder sie fand und auf mexikanisches Gebiet zurückschleppte, war sie tatsächlich tot. Auf amerikanischer Seite gab es keinen Bericht über das Verbrechen, wenngleich dieser Fall damals groß und breit in den Zeitungen von Tijuana gestanden hatte.
    Manny Lopez sagte: »Okay, wir sehen mal, ob wir den Knaben für euch schnappen können.«
    Und weil der Knabe Haare bis zum Arsch, ein Stirnband wie ein amerikanischer Hippie und ein 22er Gewehr hatte, nannten sie ihn erst mal »Zweiundzwanzig Long«.
    Nur so zum Spaß schrieb Manny an die Tafel: ZIEL: 22 LONG. Und als sie es sich drei Tage danach am späten Nachmittag an einem Abhang gemütlich gemacht hatten, auf den Sonnenuntergang warteten und die Menschenmenge auf dem oberen Fußballfeld durchs Fernglas beobachteten, sagte einer: »He, da oben sitzt ''n Weib und raucht Gras.«
    Dann guckte ein anderer durch das Glas und sagte: »He, das Weib hat verdammt langes Haar. Sie hat ''n blaues Halstuch um den Kopf ge…«
    Fünfzehn Minuten später rannten Tony Puente, Eddie Cervantes, Joe Vasquez und Carlos Chacon keuchend und japsend über Airport Mesa in Richtung Zweiundzwanzig Long, der gerade seinen dritten Joint genoß und in höheren Regionen schwebte als alle Flugzeuge, die an diesem Tage vom Flughafen Tijuana gestartet waren.
    Es war unheimlich einfach. Zweiundzwanzig Long drehte sich um und sah diese keuchenden und durchgeschwitzten Pollos, die unter ihren Schnurrbärten sämtliche Zähne fletschten, hinter sich stehen, und die Pollos sagten: »Sabes que? Sabes que, du Arschloch?«
    Und Zweiundzwanzig Long wurde fertiggemacht. An seinem bis zur Hüfte reichenden Haar gepackt und auf den Boden geschmissen. In der eigenen Falle gefangen, so, wie's aussah. Den judiciales übergeben. Natürlich legte er ein volles Geständnis ab, wahrscheinlich nach ein paar Flaschen Coca-Cola oder Bubble-Up oder Ginger Ale. Und er zeigte den mexikanischen Behörden, wo die Mordwaffe lag. Und weil die mexikanische Justiz sehr schnell ist, hatte man ihn schon verdonnert, bevor Manny Lopez sich klar darüber wurde, wie groß gerade in diesem einen Fall der PR-Effekt war.
    Nichtsdestoweniger, es war sehr beeindruckend. Ihr braucht den Täter in einem Mordfall, der zwei Jahre zurückliegt? Ihr kriegt ihn todsicher. Wir brauchen bloß drei Tage. Was können wir mehr tun für die Verbesserung der internationalen Beziehungen?
    Es war in erster Linie, wie die Barfer glaubten, das kaum faßbare Glück von Manny Lopez. Wie lange würde dieses Glück noch vorhalten? Abgesehen davon, daß er sich hin und wieder bei einer Schlägerei mit den Gangstern einen oder zwei Finger brach oder von Zeit zu Zeit mal auf die Nase fiel, was ihnen allen gelegentlich widerfuhr, war er, wie sie glaubten, gegen alles gefeit. Und sie wiederum schafften alles, was er ihnen abverlangte. Sie waren die Elite. Spezialbeamte. Sie spotteten jeglicher normalen Polizeierfahrung. Und sie verwilderten mehr und mehr.
    Joe Vasquez, sowieso schon Big Ugly genannt, sah dermaßen abscheulich aus, daß er, als er eines Tages im Präsidium zu tun hatte, von einem verschreckten Streifenbeamten fast umgelegt worden wäre, weil der Cop dachte, ein Terrorist aus einer Bananenrepublik habe sich ins Central Headquarter verirrt.
    Mittlerweile hatte sich Fred Gil in Rekordzeit erholt. Vielleicht verdankte er es seiner Frau Jan. Buchstäblich alles im Leben war

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