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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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nächsten Nachmittag entlassen werden müsse. Er wollte schrecklich gern noch länger mit seinem neuen Helden Joe Castillo zusammen sein.
    Nachdem der junge Cop sich gerade erst klargemacht hatte, daß er da draußen in den Bergen offenbar doch wohl ein rechtes Arschloch geworden war, tat ihm so was natürlich besonders gut. Er bekam dann die Chance, im nächsten Monat mal in Ruhe alles zu durchdenken. Man gab ihm einen sensationellen Druckposten, indem man ihn als Boten im Detectives-Büro einsetzte. Er haßte den Job.
    Er sagte sich: jetzt erst recht. Er fing an, den Punchingball und den Sandsack zu bearbeiten. Er stellte fest, daß er noch ganz schön in Form war. Boxen war wahnsinnig. Boxer ließen sich von Finten und Puppen nie in Versuchung führen. Ruhe und Frieden. Jede Menge Ruhe und Frieden. Ein spartanisches Leben. Soll mal einer nach einer durchsoffenen Nacht in den Ring gehen und gucken, wie er die Jacke voll kriegt. Ihm gefiel's hundertprozentig. Irgendwer hatte ihm mal die Nase gebrochen. Scheiß drauf. Joe Castillo hatte im Chino State Prison gegen einen schwarzen Häftling geboxt. Alle mexikanischen Häftlinge jubelten ihm zu, einem Cop. Ein Spitzel hatte ihn mal auf der Straße angequatscht: »Hey, Mann, ich bin stolz, dich zu kennen! Toll, wie du rumwirbelst!«
    Er hatte im Halbschwergewicht geboxt und bei den Polizeimeisterschaften letztlich eine Silber- und eine Bronzemedaille gewonnen. Laufen und Boxen wurden seine Hobbys. Seine Ehe, glaubte er, müßte diese Verrücktheiten in den Canyons einfach überstehen.
    Als er zu BARF zurückkam, konnte er seine Hand fast wieder normal gebrauchen. Eine Faust ballen konnte er sowieso, aber nun stiegen seine Finger wieder in die Luft und glitten dahin und flatterten wie die Vögel. Erfreulich schnell beherrschte er seine Körpersprache wieder; das Achselzucken, die eleganten Drehungen, das Sichverneigen, das Sichwiegen, wenn er in den Kaschemmen mit den Groupies redete. Er konnte das Saufen doch nicht so einfach vergessen, als er wieder bei der BARF Squad war. Aber er konnt's einfach nicht mehr glauben, daß er sich selbst mal für den schönsten aller Streifencops gehalten hatte. Er konnt's nicht glauben, mal ein naßforscher Cop mit schwarzen Handschuhen gewesen zu sein.
    Eins allerdings änderte sich nicht: seine Gefühle in bezug auf Carlos Chacon. Wenn er betrunken war, glühten seine Augen beinahe so gefährlich, wie die Augen von Carlos dauernd glühten. Carlos Chacon hatte ihn angeschossen, und da konnte Carlos hundertmal behaupten, das sei gar nicht erwiesen. Joe Castillo wußte, daß es Carlos gewesen war, und Carlos ließ trotzdem keinerlei Bedauern darüber erkennen, daß er ihn angeschossen hatte. Infolgedessen hatte er draußen in den Canyons von nun an ein sehr wachsames Auge auf Carlos Chacon.
    Immerhin ereigneten sich bei der Squad ein paar nennenswerte Dinge auch in der Zeit, in der Joe Castillo und Fred Gil versuchten, wieder auf die Beine zu kommen. Eine Sache war die, daß sie Ken Kelly als Verstärkung kriegten. Genau wie Robbie Hurt mußte Ken Kelly erst einmal davon überzeugt werden, daß er die falsche Hautfarbe hatte, um mit den anderen als Lockvogel loszumarschieren. Ken Kelly meinte, daß der dunkelhäutige Robbie zwar kaum das geeignete Make-up finden würde, um als Mexikaner durchgehen zu können, daß es jedoch bei einem Weißen wie ihm eigentlich zu schaffen sein müsse. Also stülpte sich Ken einen Damenstrumpf über das blonde Haar, schmierte sich eine zähe, mokkafarbene Creme ins Gesicht und sah anschließend aus wie ein bekloppter GI in einer Hollywoodversion ausgeflippter Vietnamkrieger.
    Bemerkenswert war außerdem, daß die Leute plötzlich anders auf die üblichen bösartigen, verrückten und erbarmungslosen Scherze und Witzeleien auf Kosten der Kollegen reagierten. Ernie Salgado zum Beispiel konnte gar nicht mehr so recht lachen, wenn man ihn wegen seines mächtigen Kinns aufzog oder meinte, das Nachtleben in seiner Heimatstadt – Marfa in Texas – sei etwa so aufregend wie ein Maurerwettbewerb in Polen. Ebenso erging's Eddie Cervantes, wenn sie ihn fragten, ob er in diesem Jahr zu Weihnachten mit Onkel Ebeneezer Hoppe-Hoppe-Reiter spielen werde. Tony Puente hingen Gags über seine Ehefrau, die an den Straßenecken Bibeltraktätchen an Penner verteilte, längst zum Hals raus. Und auch eine Frohnatur wie Renee Camacho fand es nicht mehr allzu witzig, wenn er wegen seines Grenzgängersoprans Schwulenwitze

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