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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Grenzführer wartete. Es war zwar schon ein Uhr früh, aber Manny wollte noch nicht Feierabend machen, vor allem deshalb nicht, weil sie seit Tagen keinen Gangster gesehen hatten. Die meisten Grenzgänger in der Scheune schliefen momentan, und es sah ganz so aus, als ob die Führer nicht mehr aufkreuzen würden.
    Die Barfer machten eine Verschnaufpause, und zwei von ihnen kuschelten sich in ihre Jacken, machten es sich auf dem Boden gemütlich und warteten darauf, daß Mannys inneres Feuer wieder zum Ausbruch kam. Und während sie da so saßen, traf plötzlich doch noch ein Führer ein, kletterte über schlafende Grenzgänger und guckte sich die Gruppe an, die er nach drüben bringen sollte. Der Führer schaute nach unten und sah, daß ein Pollo ihn von dort her anstarrte. Dieser Pollo hatte sich ein Tuch auf die bereits ziemlich kahle Birne gelegt, die derart von Insekten zerstochen war, daß sie aussah wie eine verfaulte Mangofrucht. Der Führer sah neugierig, wie sich eine Braue dieses Pollos ganz komisch zwischen die Beulen schob, die die Moskitos, die gefräßigen Sandflöhe und die wilden roten Waldameisen verursacht hatten.
    Der Führer hockte sich zu ihm und fragte den Pollo: »Worauf wartest du?«
    »Auf unseren Grenzführer.«
    »Ihr müßt hier in der Scheune vorsichtig sein«, meinte der Guide und sah sich um. »Die migra macht Stichproben in der Gegend, und außerdem läuft hier ne Bande von Cops aus San Diego rum, die sind angezogen wie ihr.«
    »Tatsächlich?« sagte der Pollo.
    »Sie haben mal versucht, mich einzumachen«, sagte der Guide. »Aber ich hab sie in den Arsch getreten.«
    Die Augenbraue wurde seltsam stachelig, und der Pollo wiederholte: »Tatsächlich?«
    »Du solltest dich von mir führen lassen«, sagte der Führer. »Diese Scheißkerle haben Angst vor mir. Ich bin der gerissenste Hund beiderseits der Grenze.«
    Inzwischen waren alle Barfer hellwach und hörten mit ziemlichem Interesse zu. Gleich darauf gähnte Manny, kratzte sich an den Eiern, seufzte und fragte den Grenzführer: »Sagen Sie mir doch mal, wieso wissen Sie denn, daß das Cops sind, wenn Sie die sehen?«
    »Leicht«, sagte der Führer. »Ich taste ihnen die Taschen ab nach der Dienstmarke. Diese Säue haben ne beschissene kleine goldene Dienstmarke, ohne die lassen sie sich nirgendwo blicken, diese putos.«
    Manny sah sich nach Renee um und gab ihm ein Zeichen, näher zu kommen, und Manny legte vertraulich seinen Arm um den Führer und sagte: »Na schön, dann sagen Sie mir mal, ob diese Dienstmarke aussieht wie die hier?«
    Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, daß der Führer die Marke in Mannys offener Hand jemals sah, aber er brauchte dann ein paar Tage lang bloß in den Spiegel zu gucken, wenn er die Inschrift lesen wollte. Denn Manny, der den Burschen mit einer Hand im Genick gepackt hielt, rammte ihm die Dienstmarke unvermittelt so heftig ins Gesicht, daß es knallte wie ein Gewehrschuß.
    Die anderen Grenzgänger fragten sich, warum der Führer aus der Scheune türmte wie eine Katze, die vor dem Feuer flüchtet. Und die Barfer waren drauf und dran, Manny seinen Todesmarsch zu verzeihen. Immer, wenn man wieder soweit war, ihn zu hassen, tat er wieder was für die Moral.
    Die verletzten Barfer Fred Gil und Joe Castillo waren inzwischen schon seit einiger Zeit wieder im Dienst. Joe Castillo hatte mit seinem Arzt über mehr Dinge gesprochen als nur über die beschädigten Nerven und Sehnen, die nach wie vor nicht so funktionierten, daß er wieder ein normales Gefühl in den Fingern hatte. Er hatte dem Doktor von den Canyons erzählt und über so einiges geredet, was sie da draußen machten. Der Medizinmann, ein Vietnamveteran, hatte ihm bloß sagen können: »Vielleicht glauben Sie ja im Moment selbst, daß Sie Ihre Kanone ziehen, bevor es nötig ist. Vielleicht sind Sie momentan tatsächlich zu schnell. Aber wenn Sie zu langsam sind, ist es wahrscheinlich noch schlechter. Ich weiß es nicht. Das ist ja schließlich kein Krieg; es ist Polizeiarbeit. Ich weiß nicht, was ich Ihnen raten soll.«
    Joe Castillo versuchte dem Doktor seine Situation mit den Worten zu erklären: »Ich glaube, ich bin in dem Moment wieder okay, in dem ich ein gewisses Stadium von Verrücktheit wieder erreicht habe. Wohl dann erst sollte ich wieder in diesen Canyons arbeiten.«
    Polizeiarbeit? Zu der man eine Art von … ja wirklich, von Verrücktheit braucht?
    Unterdessen nahm auch der alte Fred Gil seine kleine Krise. Seit er wieder Dienst

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