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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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vorstellen, daß Joe Castillo oder Big Ugly 'nem Rotary Club imponieren? Klar könnt ihr das. Genau wie Zahnziehen. Zahnziehen bei euch selber.«
    Manny hatte wahrhaftig bedeutende natürliche Fähigkeiten. Man mußte ihn in seinen Diskoklamotten und mit den Goldkettchen bloß mal da oben gesehen haben, wie die witzigen Sprüche aus seinem boshaften Mund nur so zwischen den Zahnlücken heraussprudelten, wie er mit den im Saal umherschießenden pseudoasiatischen Augen alle Frauen gefangennahm, die noch nicht im Klimakterium waren, wie der herabhängende Schnurrbart unter der pseudoarmenischen Nase auf und ab hüpfte und wie sich die Augenbraue immer höher schob, bis sie auf der Stirn ein perfektes Fragezeichen bildete. In dem Moment nämlich, in dem er seinen Finger als Waffe auf das Auditorium richtete und berichtete, wie er im Deadman's Canyon einen Colt aus dem Schulterholster und den anderen aus dem Gürtel gerissen und die Gangster reihenweise umgenietet hatte.
    Er konnte die Leute ganz nach Belieben zum Stöhnen und zum Lachen bringen. Im Saal hörte man nur das Klicken aufschnappender Kugelschreiber, wenn lokale Politiker sich notierten, daß man einen so ausgekochten Kerl unbedingt für das nächste Wahlkampfkomitee gewinnen müsse. Schließlich gab es keine echten Filmstars in San Diego und nur sehr, sehr wenige große Sportstars. Und es war sonnenklar, daß es auch nie einen echten legendären Helden gegeben hatte, bevor dieser Bursche auf der Bildfläche erschien. Wen interessierte es, ob er Republikaner oder Demokrat war? Dieser irre Mexikaner war der letzte legendäre Revolverheld!
    Dem Tätigkeitsbericht für den Monat April kann man entnehmen, daß Manny seinen dreißigsten Geburtstag damit verbrachte, auf Wunsch mehrerer Fernsehteams in den Canyons Gangsterfestnahmen nachzustellen. Die Barfer waren inzwischen auf jeden Fall in mehr als nur einer Hinsicht Schauspieler. Wie alle Schauspieler jedoch waren sie natürlich immer dann am besten, wenn es, wie in ihrem Fall bei realen Gangsterfestnahmen, ernst war, während ansonsten leicht die Gefahr bestand, das Publikum zu enttäuschen. In diesem Punkt waren alle derselben Ansicht, aber abgesehen von Eddie Cervantes und zuweilen Ernie Salgado diskutierten sie mit Manny Lopez nicht mehr sehr oft darüber, daß ein bloßer Abklatsch im allgemeinen wenig Hand und Fuß hatte.
    Im übrigen erzählte ihnen eines Tages, als sie wieder mal in ihre Rolle geschlüpft und als Pollos verkleidet unterwegs waren, ein ahnungsloser Schmuggler, daß die Aktivitäten der Gangster in den Bergen derzeit vor allem deshalb so nachgelassen hätten, weil ein gewisser Sergeant Manny Lopez mit seinen Cops aus San Diego den Ganoven regelmäßig Feuer unter dem Arsch mache.
    Wenn es an den warmen Frühlingsabenden draußen mal ruhiger zuging, nahmen die Barfer – außer Manny Lopez – eine derartige Atempause immerhin meist recht dankbar zur Kenntnis. An solchen Abenden ruhten sie sich am liebsten auf einem Abhang aus, lauschten der aus Mexiko herüberwehenden Musik, machten Witze und versuchten, etwas von der Kameradschaft zurückzugewinnen, die ihnen abhanden gekommen war, als sie sich vor den Waffen der eigenen Leute und Mannys dauernden Antreibereien zu fürchten begannen.
    Sie unterhielten sich über Gangster, die völlig durchsiebt worden waren und trotzdem noch lebten. Und meinten dann: »Ich würde wahrscheinlich schon verbluten, wenn ich nur 'n Streifschuß am Arsch hätte.« Oder: »Bei Joe Castillo würd's so lange nichts ausmachen, wie er's in den Kopf kriegt.« Oder: »Bei Manny wär todsicher noch alles okay, wenn's bloß 'n Herzschuß war.« Und so weiter.
    Aber wenn sie zu massiv aneinandergerieten oder sich allem Anschein nach zu Tode langweilten, fiel Manny prompt was ein, wie er sie für ein Weilchen bei Laune halten konnte. An einem Nachmittag beispielsweise, als sie im Deadman's Canyon herumlungerten und ausgesprochen mies gestimmt waren, beobachteten sie zufällig eine kleine Gruppe von Frauen auf einem schlüpfrigen Lehmweg. Es war noch hell, und die jungen Frauen hatten Angst und rannten wie um ihr Leben. Ziemlich rasch erschienen dann ein paar Gelegenheitsgangster aus den Slums von Colonia Libertad auf der Bildfläche, die sich den Frauen bemerkbar zu machen versuchten und mit den Fingern schnalzten. Der Anführer fragte die Barfer: »Habt ihr diese kleinen pollitas hier vorbeilaufen sehen?«
    Und Manny, der sich langweilte, fragte: »Weshalb wollt ihr das

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