Die San-Diego-Mission
erstklassiges Arschloch tätlich angegriffen hatte. Jeden Moment in Angst und Sorge, weil seine Mutter Krebs im letzten Stadium hatte. Zu Hause eine gute Frau, aber eine Ehe, die nur noch aus Bitterkeiten bestand. Er fühlte sich kleiner, mieser und trauriger als ein Haufen Grenzgängerscheiße. Wahrscheinlich hatte er auch gar nichts anderes als eine blutsaufende Hundemörderin verdient. Und dann jeden Abend die Frustration, mit Robbie Hurt im Finsteren herumzusitzen und genauso unter Druck zu stehen und Angst zu haben wie die anderen, aber sich noch schlimmer zu fühlen als die anderen, weil man nie wußte, was da draußen los war und weil es einem nie dadurch leichter gemacht wurde, daß man dabei war. Sie wußten so gut wie nie, was lief. Und dann hörten sie Schüsse in der Nacht und wirres Holterdipolter, und der Adrenalinspiegel kletterte immer mehr in die Höhe. Andauernd.
»Ich kam mir vor wie ne nicht explodierte Bombe mit Zeitzünder«, sagte er.
Er kam morgens um neun nach Hause. Seine Frau stellte ihm nur eine Frage: »Wo warst du?«
»Wir hatten eine harte Nacht«, sagte er. »Ich bin nach Tecate gefahren, weil ich ja nicht bloß zum Schlafen nach Hause kommen wollte. Ich bin schließlich so müde geworden, daß ich nur noch an den Straßenrand fahren konnte. Ich bin eben wach geworden.«
Joyce machte sich gar nicht mehr die Mühe, ihm zu antworten. Sie schmiß ihn auf der Stelle raus, mitsamt seinen Klamotten und allem anderen. Er drapierte die Klamotten auf dem Rücksitz des Motorrads. Er sah aus wie ein Lumpensammler auf zwei Rädern.
Er zog bei einem anderen Cop ein, der, wie's hieß, ein offenes Haus für herrenlose Cops führte und die Streuner überall einsammelte. Dieser andere Cop war bei der Sittenpolizei rausgeschmissen worden, weil man zu der Ansicht gekommen war, er sei nicht macho genug, um die Kunden richtig in den Arsch treten und aufschreiben zu können. Er war zwar tatsächlich so »sensibel«, daß die Gerüchteköche fest davon überzeugt waren, er sei schwul, aber Ken Kelly meinte, es sei ihm völlig egal, ob der Kerl sich die Beine enthaare oder mit einer Designer-Knarre rumlaufe. Homosexuell zu sein war in seinen Augen nach seinen Erfahrungen der letzten Tage völlig normal.
Er war seit zehn Jahren verheiratet. Joyce war ein von Japanern abstammendes amerikanisches Mädchen, das er seit seiner siebten Klasse kannte. Er liebte sie, und er liebte seine Kinder, und es war wirklich nicht einzusehen, weshalb er sich mit Leuten herumtrieb, die Hunde töteten und Lutheraner haßten. Zum erstenmal kam Ken Kelly der Verdacht, er würde verrückt werden, und wenn er seinen Job dafür auch wohl kaum direkt verantwortlich machen konnte, so wurde dadurch BARF gewiß nichts besser.
Er ging nur wieder nach Hause, weil Manny Lopez eine längere telefonische Unterhaltung mit Joyce geführt hatte. Manny Lopez war sicher kein idealer Eheberater, aber Ken Kelly hatte Angst vor ihm.
Manny Lopez sagte: »Hör zu, du Arschloch, du kannst rumvögeln, wo du willst, aber jetzt gehste nach Hause! Kapiert? Du gehst nach Hause!«
Und so ging Kelly nach Hause. Besser allerdings wurde erst mal überhaupt nichts. Es konnte auch nichts besser werden, solange er draußen in den Canyons rumrannte und glaubte, zumindest nicht mehr ganz klar im Kopf zu sein.
Wenn ein Barfer im übrigen wieder mal was am Kochen hatte, konnte er sich in der Regel auf Manny verlassen. »Das hast du mir zu verdanken, alter Arsch«, erklärte Manny, wenn er einem abends freigab und für ein Alibi zu sorgen versprach, falls die Frau anrief. »Das verdankst du mir!«
Man spendierte ihm dann eine Flasche Chivas Regal oder eine Handvoll Santa Fe Corona Grandes.
Jedenfalls kriegten sie, was sie haben wollten: Lehrerinnen, Krankenschwestern, Kellnerinnen, Blutsäuferinnen, gerontologisch tätige Wichserinnen. Sie kriegten sie alle. Und die Ehen litten dementsprechend. Die meisten Jungs torkelten erst im Morgengrauen heimwärts, pennten den ganzen Tag, standen auf, vergaßen, sich zu rasieren oder zu duschen, und gingen wieder in die Canyons. Und am nächsten Tag fing der ganze Zirkus von vorn an.
Während sich jedoch eine Reihe von Barfern »die Beine vertreten« mußten, wie sie es nannten, wenn sie von Mama aus dem Haus geschmissen wurden, standen einige der anderen ihre Krisen mit viel Anstand durch und bändigten die Ungewitter.
Tony Puente war ein sensibler Bursche, der zwar den richtiger Nerv für die Gefühle anderer Leute
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