Die San-Diego-Mission
zwei Pollos, die gleich nach Einbruch der Dunkelheit über den Zaun gehen wollten.
Es war augenscheinlich eine ganz entspannte Sache, und die Pollos waren, wie meistens, liebenswürdig und großzügig. Sie tranken sich mit ziemlich viel Tequila Mut an und offerierten den Barfern einen Drink, den diese aus Angst, sie könnten von den Mexikanern mit irgendeiner Krankheit infiziert werden, in höflicher Form ablehnten.
Die Leute südlich des Grenzzauns fragten die Barfer voller Neugier, warum sie immer noch warteten, obgleich die Dunkelheit immer stärker wurde.
»Die migra ist heute abend ganz schön zuwege«, sagte Carlos Chacon, und einer der Pollos meinte: »Na gut, dann warten wir besser auch noch 'n Weilchen.«
So lungerten sie dann weiter am Zaun herum und tranken Tequila und schwatzten.
Um zehn vor zehn sah Ernie Salgado, daß ein Auto den Highway herunterkam. Da der Wagen langsamer wurde, behielt Ernie ihn im Auge.
Es war plötzlich sehr finster geworden. Chuey Hernandez sah, daß am Grenzzaun zwei Leute standen. Er stoppte den Streifenwagen, und er und Pedro Espindola entschlossen sich, mal nach dem Rechten zu gucken.
Chuey Hernandez schaltete die blauen und roten Signallichter an, stieg aus und sagte: »Was tut ihr hier? Kommt mal rüber zum Streifenwagen!«
Pollos gehorchen im allgemeinen sofort, wenn man ihnen was befiehlt, und so war es auch hier. Chuey Hernandez nahm ihnen die Tequilaflasche weg und schmetterte sie am Straßenrand auf die Erde.
Nachdem die beiden Trinker auf dem Rücksitz Platz genommen hatten, wollte Chuey Hernandez die blau-roten Signallichter wieder ausschalten und war sogar schon angefahren, als Pedro Espindola sagte: »Halt mal an. Dahinten in diesem Graben sind noch mehr Leute.«
Chuey Hernandez fuhr den Wagen ungefähr fünfundzwanzig Meter weiter – so jedenfalls hieß es später in einem offiziellen Bericht. Er parkte ihn fast genau über der großen Drainageröhre, wo der Grenzzaun von den Leuten, die sich nachts hier herumtrieben, mutwillig eingedrückt, zerrissen und niedergetrampelt worden war. Der Zaun hörte an einer Stelle, an der die Touristen längst halt zu machen pflegten, abrupt auf. Es war ein Zaun, der im Nichts endete.
Der junge Joe Castillo war neben sein Idol und seinen Mentor Manny Lopez gekrochen. Sie hockten hinter ein paar Betonpfeilern, die vom Winterregen unterspült, aber hundert- und tausendmal wieder erneuert worden waren. Das Ganze wirkte wie ein militärischer Bunker. Joe Castillo hatte seinem Sergeant irgendwas zugeflüstert, als Chuey Hernandez die beiden Trinker festnahm.
Joe Castillo sagte später: »Wir sahen, wie diese mexikanischen Cops die Burschen filzten. Wir hielten es für eine Erpressung.«
Gleichgültig, ob die Festnahme wegen öffentlichen Trinkens oder Betrunkenseins hier gerechtfertigt war oder nicht – »Erpressung« war südlich des Grenzzauns, in der Republik Mexiko, praktisch an der Tagesordnung. Und es lag ja auch durchaus im Bereich des Möglichen, daß es sich hier bei diesen mexikanischen Cops wirklich um diejenigen handelte, die, wie berichtet worden war, zum Teil auf amerikanischem Boden Pollos ausgeplündert und erpreßt hatten. Und wenn sie's nicht waren und nicht getan hatten, so würden sie's bestimmt tun, sobald sie die Chance dazu hätten, weil durch die Bank sämtliche mexikanischen Cops Gauner waren. Bis zum letzten Mann. Dies, jedenfalls, war die felsenfeste Überzeugung der Barfer.
Chuey Hernandez hielt die Signallampe in der linken Hand, damit er seine Schußhand frei hatte, marschierte auf den Grenzzaun zu und leuchtete in den Graben. Er erinnerte sich, daß er einen alten abgestorbenen Baum sah, den das Wasser entwurzelt hatte und der mit den Wurzeln nach oben bis in den Himmel ragte, so daß es aussah, als würden sich riesige arthritische Hände dem Firmament entgegenrecken. Dann entdeckte er die beiden Figuren hinter den entwurzelten Bäumen und Betonbrocken. Die Betonpfeiler schimmerten im Mondlicht bleich wie Grabsteine. Chuey Hernandez zog den Revolver und trat dichter an den Zaun heran.
Er brüllte die beiden Figuren an. Er rief: »Was macht ihr da? Kommt sofort zurück!«
Manny Lopez rief zurück: »Geben Sie uns ne Chance, Chef! Wir haben's doch schon geschafft! Drücken Sie doch mal 'n Auge zu!«
Die Würfel waren gefallen. Es war von diesem Augenblick an alles vorherbestimmt. Jeder Schritt in diesem Grenzdrama war unvermeidlich.
Chuey Hernandez trat dichter an den Zaun und
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