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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Aber er und seine Teenagerfreundin hatten bereits den Hochzeitstermin festgesetzt. Er marschierte zu seinem Kommandeur, um von dem zu hören, was er tun sollte.
    »Soll ich denn nun abhauen nach Guantanamo, oder soll ich vernünftig sein?« fragte der junge Marinesoldat seinen Vorgesetzten.
    Die Antwort steckte selbstverständlich schon in der Frage. Er war vernünftig wie gewöhnlich. Er heiratete und absolvierte die drei Dienstjahre, zu denen er sich verpflichtet hatte, in Santa Ana, Kalifornien, ganz in der Nähe seines Hauses. Er und Dene hatten drei Kinder und würden ein viertes haben, bevor dieses Experiment an der Grenze vorbei war. Er glaubte in der Tat, er habe ihr die Jugend gestohlen, und deshalb schloß er es nicht mehr ganz aus, eine kugelsichere Weste zu tragen, als sie ihm mit dem Argument kam, er dürfe sich einfach nicht erschießen und sie mit der Erziehung der Kinder allein lassen. Später sollte er seine Ansicht über machismo und kugelsichere Westen gewaltig ändern.
    In mancher Hinsicht sah Tony Puente mehr wie ein Mexikaner aus als die anderen. Sein Gesicht war recht glatt, und hinter den goldgeränderten Brillengläsern verbargen sich die kleinen Augen eines Indianers. Seit er sich die Haare länger wachsen ließ und das erste Sprießen eines Flaums dazu benutzte, sich einen Zapata-Schnurrbart stehenzulassen, sah er aus wie die klassische Wiedergeburt mexikanischer Revolutionäre. Spanisch allerdings sprach er wirklich nur äußerst schlecht, als er sich von Dick Snider und Manny Lopez für diese Task Force anheuern ließ.
    Er hatte andere Vorzüge, zum Beispiel Erfahrung. Mit dreiunddreißig war er fast der älteste aller Angeworbenen, und er hatte sieben Jahre Polizeidienst hinter sich. Er war nie nach Guantanamo Bay gekommen. Er war nie irgendwohin gekommen. Nun aber mußte er zumindest nicht mehr dauernd in Uniform rumlaufen, ganz egal, ob Dene die Sache gefiel oder nicht. Im übrigen hatte er letzten Endes doch nicht die ernsthafte Absicht, zu den überängstlichen Typen zu gehören, die kugelsichere Westen trugen.
    Es gab damals schon noch was, was ihm an ihr mißfiel, wenn nicht mißfallen mußte. Und das war im Grunde viel schwerwiegender als tausend kugelsichere Westen. Dene geriet mehr und mehr in die Fänge einer fundamentalistischen Kirche. Ihr Leben – aber vor allem auch sein Leben – würde nie mehr so sein wie bisher.
    »Sie war eine junge Frau mit Kindern«, sagte er irgendwann nachdenklich, als er die Ursachen der religiösen Krise zu beschreiben versuchte, die sein Leben binnen kurzem völlig vergiftete. »Ich war nachts da draußen und schob Dienst, und sie war gezwungen, die Kinder allein zu erziehen. Zunächst glaubte ich ja noch, daß die neue Religion bloß eine … Phase wär. Eine vorübergehende Erfahrung. Ihr fehlte offenbar was in den einsamen Nächten. Es schien ja zuerst ganz okay zu sein, daß sie jede Nacht zwei Stunden in der Bibel las. Viel besser als zuviel Fernsehen, während ich draußen Dienst machte, stellte ich mir vor.«
    In dieser Phase seines Lebens ging Tony Puentes Glauben an Gott fast restlos kaputt. Sonderlich tief war er nie gewesen, seit sein Vater gestorben war, was durch den Alkoholmißbrauch ziemlich rasch gegangen war. Die Puentes riefen in der nächsten Pfarrei an, weil ein Priester kommen sollte. Ein weißer Priester erklärte ihnen, er würde die Sache gern machen – für fünfundsiebzig Dollar.
    Tonys Mutter rief daraufhin bei einem mexikanischen Geistlichen an, der sofort kam, ohne von Geld zu reden. Nichtsdestoweniger war Tonys Glaube ernsthaft erschüttert worden, und im Grunde wurde er nie mehr so, wie er mal gewesen war. Wenn er versuchte, die grundlegenden, anscheinend unwiderruflichen Veränderungen seiner Ehe und seines Lebens zu erklären, meinte er beispielsweise: »Ich hatte mich mit Denes neuer Religion ja fast schon abgefunden, aber mit der kugelsicheren Weste hatte ich nach wie vor nichts im Sinn. Damals hätte ich diese verdammte Weste höchstens im Bett angezogen, damit sie glauben konnte, da käme einer zu ihr von den himmlischen Heerscharen. Aber wie hätte ich denn wissen können, was da noch alles passiert?«
    Der älteste Cop von allen war Fred Gil. Er war Ausbilder beim Marinecorps gewesen, hatte in Vietnam gedient und sollte beim paramilitärischen Training aushelfen. Fred Gil, sechsunddreißig, war noch ruhiger und sprach fast noch leiser als Tony Puente. Fred Gil war bekannt für sein schüchternes

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