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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Lächeln und seinen mehr als tief sitzenden Sinn für Humor. Und er war wahrscheinlich der einzige Ex-Ausbilder in der Geschichte des US-Marinecorps, der so altmodische Worte wie »verflixt« und »Scheibenkleister« in den Mund nahm. Er war einer der am allerschlechtesten Spanisch sprechenden Cops mexikanischer Abstammung und im Umgang mit höheren Tieren derart schüchtern, daß er jeden Augenkontakt vermied und sich ununterbrochen die Hand vor den Mund hielt, sobald er es mit jemandem zu tun hatte, der mehr war als Sergeant. Fred Gils Passivität erschien einem zunächst um so erstaunlicher, als er in seiner aktiven Zeit Judo-Champion des gesamten Marinecorps in der offenen Schwergewichtsklasse gewesen war. Und bei nur zweihundert Pfund war das wirklich eine Leistung, vor allem, wenn man bedenkt, daß er mit wahren Monster-Marines kämpfen mußte. Fred Gil war freundlich, liebenswert und physisch total fit. Viele Cops konnten es kaum fassen, daß er sich in seinem Alter diesem Verein angeschlossen hatte, bei dem er zwischen Kakteen und Eidechsenscheiße herumstiefeln und sich nachts einen abfrieren mußte. Aber genau das war typisch für Fred Gil. Die Brutalität der Gangsterbanden in den Canyons ließ ihm keine Ruhe. Die Fotos der bedauernswerten Opfer unter den Grenzgängern, die Dick Snider ihm gezeigt hatte, waren bei dem alten Fred Gil auf fruchtbaren Boden gefallen. Vielleicht waren gerade er und Dick Snider wirklich erwachsen genug, um sich mit den Menschen, die keine Illusionen mehr hatten, solidarisch zu fühlen, eben weil sie wußten, daß sich Wunschträume selten erfüllen. Vielleicht näherte er sich auch seiner Midlife Crisis. Seine Frau Jan steckte mit neununddreißig jedenfalls mitten drin. Sie hatten so gut wie ununterbrochen Krach. Ihre Ehe war miserabel.
    Es sei ausschließlich seine Idee gewesen, dieser Task Force beizutreten, sagte er. Er habe in seiner aktiven Zeit noch mal was Vernünftiges tun wollen, bevor er zu alt gewesen sei, sich zu engagieren.
    »Nach Vietnam hatte ich von fast allem die Schnauze voll«, sagte er. »Ich war einfach froh, daß ich noch lebte. Der normale Polizeidienst schien mir nach dem Krieg buchstäblich der Himmel auf Erden zu sein. Einfach nur leben, ohne Tag für Tag Angst haben zu müssen, daß schon wieder einer versucht, einen umzubringen.«
    So fand sich Fred Gil dann bei der Task Force wieder, aber er wollte nie einem Menschen ein Vorbild sein.
    Der größte von allen, Ernie Salgado, war der eigentliche Waffenexperte. Ebenso wie Fred Gil gehörte er zu denjenigen ehemaligen Marines, die in Vietnam gekämpft hatten, als die Tet-Offensive begann; er war damals bei den 7. Marines in Da Nang gewesen. Er hatte eine Infanterieabteilung geführt und seinen persönlichen Anteil am Krieg in den dreizehn Monaten da drüben weiß Gott mitgekriegt. Schon vor seinem ersten Einsatz in den nächtlichen Canyons hatte er jetzt eine gewisse Angst davor, dort draußen allzu häufig und intensiv an Vietnam denken zu müssen.
    Ernie Salgado kam aus Marfa in Texas, einem Ort mit 2600 Einwohnern. Es war größtenteils eine von Mexikanern bewohnte Stadt, in der es zwar einige Weiße, aber keine Schwarzen gab. In Marfa hatte er nahezu ausschließlich antimexikanische Ressentiments kennengelernt und sich entschlossen, in San Diego zu bleiben, nachdem er dort bei den Marines stationiert gewesen war. Aber selbst nach fünf Jahren Polizeidienst war ihm das Leben in der Großstadt noch immer nicht ganz geheuer. Er war der einzige von ihnen, der den Sauftouren nach Feierabend kaum etwas abgewinnen konnte. Er nippte höchstens dann mal an einem Gläschen, wenn es ihm zu sehr auf die Nerven ging, daß sie ihn ununterbrochen mit Marfa, Texas, aufzogen. Wo man, wie die Kollegen spotteten, abends normalerweise nichts unternehmen konnte, als dabei zuzuschauen, wie der Beton hart wurde. Er hatte mal den Fehler begangen, ihnen eines Abends, nachdem seine Zunge durch eineinhalb Glas Bier locker geworden war, ein paar Takte mehr über seine Heimatstadt zu erzählen. Von dem Abend an mußte er einen Marfa-Witz nach dem anderen über sich ergehen lassen.
    Ernie Salgado hatte ein längliches Gesicht mit einem vorspringenden Kinn und deutlich vorstehenden Vorderzähnen. Witze über seine Zähne und Kieferknochen ödeten ihn nach einiger Zeit noch mehr an als die Gags über Marfa, Texas.
    Joe Castillo hatte einen durchtrainierten, athletischen Körper, und er gehörte zu jenen jungen Cops, denen die

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