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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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und die pseudoarmenische, triefende und rot gefrorene Nase von Manny Lopez hervor. Er und das Ensemble versuchten zu erkennen, was, zum Teufel in der verdammten Röhre auf der anderen Seite der Grenzlinie eigentlich vor sich ging.
    Als sie die Worte des Mädchenschänders hörten, mochte Tony Puente das alles kaum glauben. Er und Eddie Cervantes guckten zu Manny Lopez herüber, aber der hatte die schwarze Wollmütze so tief über den kahlen Schädel gezogen, daß das einzige, was man sah, eben sein schlaff herabhängender Schnurrbart und die tropfende Nase waren. Er erinnerte einen sehr an Yosemite Sam in den alten Bugs-Bunny-Filmen.
    Sie konnten es nicht sehen, aber sie ahnten, daß er seine Augenbraue wahrscheinlich gerade so in die Höhe gezogen hatte, daß die Augäpfel fast auf seinen Wangenknochen lagen. Er war augenscheinlich stocksauer. Dort drüben war mexikanisches Terrain, und es war ihnen eingeschärft worden, niemals rüberzugehen, aber …
    »Sabes que?« murmelte Manny Lopez. »Sabes que?« Vielleicht sprach er ja nur zu den jungen Gangstern, vor allem zu jenem, der gerade im Begriff war, in Esther Lugo einzudringen. Er sagte auch nicht: »Barf!« Er sagte: »Hört mal auf mit der Sauerei!«
    Und dann gab es ein fürchterliches Geschrei und Gekreisch, als ein Hurrikan in den Tunnel fuhr. Die Pollos und die Gangsterknaben flohen in alle Richtungen. Menschen wurden niedergeworfen, getreten, bewußtlos geschlagen, ausgeknockt und mit Pistolengriffen traktiert – die richtigen Leute, die falschen Leute. Das Chaos herrschte im Tunnel, und Rosa Lugo rannte zu ihrer Tochter Esther und half dem verängstigten Mädchen, sich anzuziehen. Rosa Lugo konnte nicht mal mehr schreien. Im Moment jedenfalls nicht.
    Tony Puente war von seinem Kostümberater Manny Lopez hervorragend eingekleidet und außerdem bestens motiviert worden. Er trug irgend etwas in der Art dieser Diskoschuhe aus Tijuana. Genau wie ein blöder Scheißpollo vom Land mit brandneuen Großstadtlatschen. Und er war derart stinkwütend, daß er wie ein Verrückter einem dieser Gangsterknaben aus der Röhre heraus nachjagte. Er hörte, wie Eddie den Kopf eines anderen mit dem Gewehr bearbeitete, als er in der Finsternis hinter ihm vorbeikam und ausrutschte. Er hielt einen kurzläufigen 38er in der Hand und bewegte sich in diesen Plastikdingern wie auf Schlittschuhen, und der wegrennende Gangsterknabe schrie dauernd: »Laß mich in Ruhe! Laß mich in Ruhe!«
    Tony Puente aber rannte ihm blindlings nach und schrie ihn an: »Ich leg dich um, du Schwein!«
    Die drei Cops waren allesamt Familienväter, und Tony Puente hatte so früh geheiratet, daß er sogar schon ein Kind etwa in Esther Lugos Alter hatte. »Ich leg dich um!« schrie er aus Leibeskräften, während er in den Diskoschuhen die Straße hinunterraste.
    Eine Straße?
    Er sah sich plötzlich um. Er rannte tatsächlich eine Straße hinunter. Er lief haste was kannste eine Straße mit vier Fahrspuren entlang. Er joggte über eine Straße von Tijuana im Staate Mexiko, direkt neben einer Barackensiedlung, in der es von Kumpeln des Jungen, den er fangen wollte, sicherlich nur so wimmelte.
    Tony Puente kam an einem Elektrizitätswerk vorbei. Abzugsröhren und Schornsteine ragten auf und bliesen Dreck in einen nebenan liegenden verlassenen Stadtpark. Warum hatte er seine verdammte Brille nicht auf? Die Füße wollten ihm den Dienst versagen, und er konnte kaum noch einen Schritt laufen, hinkte jedoch so schnell wie möglich zu der großen Abwasserröhre zurück. Der Jungverbrecher, der in der Bordellgegend von Colonia Coahulla verschwunden war, könnte ihn mit Leichtigkeit niederschießen, wenn er den Highway überquerte. Er blinzelte kurzsichtig zu den finsteren Baracken herüber. Warum hatte er die verdammte Brille nicht auf?
    Als Tony Puente endlich sicher zurück war, hatte sich der Tumult gelegt. Fünf Grenzgänger machten vor ihrer Zweitbesetzung, die mit Hilfe der kleinen Funksprechgeräte zu Hilfe gerufen worden und mittlerweile eingetroffen war, ihre Zeugenaussagen. Nur einer der Junggangster war gefaßt worden, aber es war derjenige, der Esther Lugo zu vergewaltigen versucht hatte. Er sah inzwischen aus wie ein ganzer entgleister Zug, und darüber freute sich Tony Puente von Herzen. Er hoffte nur, daß die, die nach Mexiko verduftet waren, ebenfalls zusammengeflickt werden mußten und vielleicht auch ein paar Blutkonserven brauchten.
    Mannys Hände sahen aus wie Hackfleisch, und im übrigen

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