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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Cops durchaus Mühe, ihre Gringo-Copkollegen zu verstehen, weil sie davon ausgehen müssen, daß sie nicht im entferntesten darauf hoffen können, umgekehrt von denen verstanden zu werden.
    Die schweren Verbrechen werden in Tijuana von den judiciales bearbeitet, den Angehörigen der dem Gericht unterstellten staatlichen Polizei. Bei den uniformierten Cops in den braunen Uniformen, mit denen es in der Regel turistas zu tun haben, handelt es sich um Angehörige der städtischen Polizei, die für den Straßenverkehr und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig ist.
    Wenn ein amerikanischer Tourist einem judicial begegnet, dürfte er ihn nicht erkennen. Er könnte beispielsweise zu einer Gruppe junger Männer gehören, die in einem der paar guten Restaurants von Tijuana sitzt. Er könnte eins dieser guayaberas tragen, eins jener Buschhemden, die unter Präsident Echeverria in Mode gekommen sind. Diese normalerweise weißen oder braunen Hemden sind seitlich geschlitzt und besitzen Außentaschen sowie manchmal Schulterstücke. Oder er könnte einer der gutaussehenden jungen Stadttypen sein, die in einem der ziemlich züchtigen Fleischbeschauläden an der Avenida Revolucion an der Bar sitzen, wo die Touristen regelmäßig zu meckern anfangen, weil sie in Davenport, Iowa, schon schärfere Darbietungen gesehen haben.
    Und manche Sekretärin aus Kansas City hat schon Herzflattern gekriegt, bloß wegen jenes jungen Burschen da an der Bar oder jenes anderen, der sich offenbar gar nicht für die Show interessiert und zudem nicht mal seine Drinks bezahlt. Einer sieht mit seinem gekonnten Haarschnitt aus wie ein junger Tyrone Power. Der nächste hat ein purpurnes Art-Deco-Hemd an, und beide tragen Jeans von Sergio Valente. Einem baumelt ein Goldkettchen und eine religiöse Medaille aus weichem mexikanischem Gold am Hals, und das Haar des anderen weist changierende Farbtöne auf. Und sie protzen beide mit Cowboystiefeln aus imitiertem Eidechsenleder sowie Gürteln mit Silberschnallen, so groß wie ein Fußball.
    Es könnte einer Sekretärin aus Kansas City aber auch auffallen, daß sich unter dem Hemd des Jungen, der wie Omar Sharif aussieht, eine Ausbuchtung abzeichnet, und großer Gott! Das sieht ja aus wie eine Kanone!
    Es ist in der Tat eine 38er oder 45er oder eine 9-Millimeter-Pistole. Todsicher eine Automatic, weil die einem Macho besser zu Gesicht steht als ein Revolver, und Cops in Mexiko sind nun mal Machos. Was man zum eigenen Vorteil nie anzweifeln sollte.
    Außerdem sind sie stolz auf ihre geringe Kriminalitätsrate in Tijuana. Grundsätzlich trauen sie der städtischen Polizei nicht über den Weg und schieben ihr buchstäblich alles in die Schuhe, vom Verkehrschaos bis zur Leichenfledderei bei Mordfällen. Die judiciales bearbeiten jedenfalls alle Verbrechen von Belang mit Ausnahme von Rauschgiftdelikten, für die wiederum die ebenfalls der Justiz unterstellte Bundespolizei zuständig ist.
    All diese Cops haben es weiß Gott nicht leicht, vor allem, weil sie wissen, daß es absolut unmöglich ist, ohne la mordida ein auch nur halbwegs anständiges Leben zu führen. The bite ist sozusagen ihr »Bonus« dafür, daß sie anständige Polizeiarbeit leisten.
    Jenseits der imaginären Linie sind sich wahrhaftig sämtliche Einwohner klar darüber, daß ein bestimmtes Benehmen rasch dazu führen kann, Verbrechen zu provozieren, wohingegen viele Amerikaner anscheinend immer noch meinen, sie könnten im Hinblick auf das blühende mexikanische Touristengeschäft das betrunkene, lärmende, beleidigende Verhalten, das die Mexikaner seit langem von ihnen gewohnt sind, von Fall zu Fall noch in den Schatten stellen. Hin und wieder kann ein Softwareverkäufer aus dem Silicon Valley, voll mit Scotch bis zur Halskrause, einen kolossalen Fehler machen. Er kann sich dazu hinreißen lassen, einer Hausfrau an die Titten, den Arsch oder gar an die Möse zu grapschen, wenn die Dame ihren Ehemann abholen will, der gerade einen Vierzehnstundentag als Geschäftsinhaber hinter sich hat. Und wenn der Gatte zu Hilfe eilt, kann's leicht passieren, daß dieser kleine Schmutzfink von Softwareverkäufer seine Knöchelchen hinterher einzeln einsammeln muß und mit seinem Hertz-Leihwagen schleunigst in Richtung Grenze abhaut, wobei er unter Umständen beinahe noch einen Motorradcop über den Haufen fährt.
    Dann wird der Softwareverkäufer total verblüfft sein, wenn vor seinen Augen plötzlich seine Windschutzscheibe zerplatzt, und er

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