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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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einer Rolle heraus – und in eine andere hineinzuschlüpfen. Aber viel schwerer mußte es eigentlich für einen Grenzgänger sein, der das ununterbrochen tun mußte.
    Manny hämmerte ihnen ständig ein: »Daß die Leute uns leid tun, ist okay, aber denkt auch daran, daß es da viel Abschaum gibt. Ihre Regierung ist korrupt. Ihre Cops sind korrupt. Ihr dürft da nichts durcheinanderbringen, sonst seid ihr schneller tot, als euch lieb ist.«
    Einmal, als sie noch ziemlich in der Nähe ihrer Außenstation waren und auf dem Weg in die Canyons über einen dichten Stacheldrahtzaun kletterten, wurden sie von einer Stimme erschreckt, die von hinten kam: »Okay, Arschlöcher! Keine Bewegung!« Die Stimme gehörte einem Border-Patrol-Mann, der hier draußen rumschnüffelte.
    Das Seltsame an ihrer Reaktion war die Tatsache, daß sie sofort die Hände hoben und auf spanisch antworteten. »Somos policias! Somos policias!« So tief jedenfalls steckten sie in ihrer Rolle.
    Auf dem oberen Fußballfeld, immerhin, hatten sie auch manchmal was zu lachen. Irgendeiner erfand einen Namen für einen kleinen Maiskuchenverkäufer, der einen Kinnbart wie eine Ziege hatte. Sie nannten ihn Chano B. Gomez junior. Und manchmal kauften sie sich tatsächlich ein paar Maiskuchen und aßen sie sogar, was nach Ansicht von Manny Lopez das Mutigste war, was er je erlebt hatte; sein Schießerlebnis, meinte er, sei dagegen bloß Schwulenkram.
    Chano B. Gomez junior hatte sich ein kleines Transistorradio an den Gürtel geschnallt und schleppte zudem Rumbakugeln mit sich herum, die er zu den Klängen einer Radiostation aus Tijuana einsetzte: Cha cha, cha cha cha!
    Hin und wieder verkaufte er auch churritos, in Fett gebackene Stangen aus Brotteig und Chili. Und natürlich ging auch dann der eine oder andere dieser ausgekochten, chililutschenden Gangsterknacker das Risiko ein, sich eine parasitäre Paralyse einzuhandeln, indem er die churritos nicht nur kaufte, sondern auch aß. Eben wie ein Pollo.
    Chano B. Gomez junior hatte ständig mehr als nur ein Auge auf die holde Weiblichkeit geworfen, und wenn er so von Gruppe zu Gruppe hüpfte, um seine Maiskuchen anzupreisen, drehte er seinen Krachmacher auf volle Lautstärke und schüttelte die Rumbakugeln allen flotten Bienen entgegen, die ihm unter die Augen kamen: Cha cha, cha cha cha!
    Dabei wurden seine begehrlichen Blicke oft genug von einem Vater, Ehemann oder Bruder, dem solche Aktivitäten überhaupt nicht paßten, mit bedrohlichem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen. Aber Chano B. Gomez junior ließ dann nur seinen Ziegenbart in ihre Richtung flattern und seine Rumbakugeln rasseln, bevor er leichtfüßig wie eine der Ziegen auf den umliegenden Bergspitzen davonhüpfte.
    Irgend jemand fragte sich mal, ob der Mann unter Umständen mit den Gangstern unter einer Decke steckte und ihnen mit den Rumbakugeln Zeichen gab? Du wirst flachgelegt, Schätzchen. Du wirst ausgeplündert. Du, Pollo, wirst gekillt. Einfach, indem er die Rumbakugeln ertönen ließ, die sich anhörten wie Klapperschlangen.
    Trotz alledem aber hatten sie ihren Spaß am alten Chano B. Gomez junior, dem ziegenähnlichen Maiskuchenverkäufer, und stellten sich vor, daß er ihnen den Takt schlug, wenn sie aufbrachen ins Niemandsland: »Gebt acht, gebt acht! Mit heißem Hauch das Monster wacht!«
    Dann kam der Abend, an dem Manny Lopez endlich, Auge in Auge, El Loco gegenüberstand. Sie marschierten durch den E-2-Canyon und befanden sich kurz vor einem Loch im Grenzzaun. Schon von weitem ließ sich auf mexikanischer Seite eine Schar schattenhafter Gestalten erkennen. Als die Barfer zu fünft näher heranbummelten, sahen sie eindeutig, daß eine dieser schweigenden, schattenhaften Gestalten völlig in Schwarz gekleidet war und eine rote Skimaske trug!
    Der Mann mit der Skimaske quatschte sie an. Er sagte: »Wie wär's mit 'ner Zigarette?«
    Manny ging zu dem aus Ketten konstruierten Zaun, schlüpfte dabei in seine Rolle und reichte dem Mann mit der Maske eine Fiesta-Zigarette durch die Maschen. »Haste auch Feuer?« fragte der Mann.
    Manny förderte ein original mexikanisches Streichholzheftchen zutage, und als es aufflammte, sah er lediglich die Augen und den Mund des Mannes und fragte sich, warum, zum Teufel, er eine Maske trug.
    »Wohin will deine Gruppe?« fragte Loco.
    »Nach Los Angeles«, sagte Manny.
    »Da kann ich euch vielleicht helfen«, sagte er. »Ich habe da gute Verbindungen. Ich arbeite kollegial mit den judiciales zusammen.

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