Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
Psychosen und ist zudem schwer depressiv, ich bin nun schon seit mehr als achtzehn Monaten ihr Therapeut und kann sie wahrscheinlich besser beurteilen als jeder andere hier. Sie muss unter enormem Druck gestanden haben, um etwas so Impulsives zu tun.«
    »Warum sind Sie heute hier?«
    »Frau Felten-Cromminga hat mich dringend um einen Hausbesuch gebeten, deshalb bin ich mit dem Flugzeug auf die Insel gekommen.«
    Wencke ging ein paar Schritte auf den beleibten Mann zu, der breitbeinig in dem klobigen Sessel saß und einen Schluck aus dem Cognacglas genommen hatte.
    »Dann müssten Sie doch auch am ehesten wissen, warum sie sich unter Druck gesetzt fühlte.«
    »Es ist leider zu keinem Gespräch gekommen.«
    »Sie war schon weg, als Sie kamen?«
    »Nein, sie war noch da. Aber sie war nicht in der Lage, ein Therapiegespräch zu führen. Frau Felten- Cromminga hat die Nerven verloren, auch wenn ich dies als ihr Therapeut nur ungern zugebe, da sie in gewisser Weise meiner Verantwortung unterliegt. Und was ich Ihnen jetzt sage, das sage ich Ihnen als Privatmensch und Freund der Familie Felten, bitte notieren Sie das auch so in Ihrem Protokoll.« Er nickte mit wichtigtuerischer Geste dem schreibenden Meint zu.
    »Es ist der Tod von Frau Polwinski, oder das Auffinden der Leiche oder auch Ihre Ermittlungen, die Hilke unter Druck gesetzt haben, womit ich natürlich nicht sagen möchte, dass sie etwas mit dem Mord zu tun haben könnte.«
    »Was möchten Sie denn damit sagen?«
    Gronewoldt seufzte. »Wissen Sie, ich mag Frau Felten-Cromminga, und auch ihren Mann schätze ich sehr. Auch dem Opfer, dieser Frau Polwinski, zolle ich eine Menge Respekt. Aber zwischen diesen drei Personen gab es Spannungen, die über die üblichen Eifersüchteleien hinausgehen. Sie haben ja sicher auch schon von den Gerüchten um eine angebliche Affäre gehört. Das ist aber nicht der springende Punkt.«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie endlich auf denselbigen kämen«, fiel ihm Wencke ungeduldig ins Wort.
    »Es gibt ein Phänomen im Dienstleistungsgewerbe, Frau Polwinski hat es sozusagen hier angewendet gesehen. Es ist das Jekyll-und-Hyde-Prinzip. Es besagt, dass Ehen oder Partnerschaften, die eng mit einem Dienstleistungsgewerbe verstrickt sind, zwangsläufig zu einer Spaltung der beiden Beziehungspersönlichkeiten führen. Während der eine sich also mehr und mehr in seine Rolle als höflicher, immer freundlichcharmanter Gastgeber einfindet, lebt der andere den zurückgezogenen, misstrauisch-abwehrenden Part aus.«
    »Sie wollen also behaupten, dass ein Hotelierehepaar nach ein paar Jahren immer zur Karikatur wird, der eine also ein Dauergrinser und der andere ein Häufchen Elend?« Es klang sehr simpel, aber Wencke konnte es nachvollziehen, auch wenn es ganz und gar nicht ihrem Menschenverständnis entsprach.
    »Diese Diskrepanzen treten nicht immer zutage. Wenn beide Partner in sich feste Charaktere sind, dann können die Symptome auch konstruktiv umgesetzt werden, der eine übernimmt beispielsweise die finanziellen Dinge, während sich der andere mehr für das Personal einsetzt. Oder einer zieht sich völlig aus dem Betrieb zurück und kümmert sich um die Familie oder um andere berufliche Pläne. Oft spielt leider auch der Alkohol eine große Rolle, meist kaschiert der ›Mister Hyde‹ damit seinen Wunsch nach Zurückgezogensein. Schauen Sie mich nicht so skeptisch an, Frau Kommissarin, diese These stammt, wie gesagt, nicht von mir. Doch glauben Sie mir, Frau Polwinski hat sich sehr langwierig und sehr ausgiebig damit beschäftigt. Bevor sie hierher kam, war sie in einigen anderen Hotels tätig, auch im Ausland. Sie hat unzählige Fragebögen dazu entwickelt, verschickt und schließlich ausgewertet. Ronja war eine sehr gewissenhafte Person, ich weiß es, ich habe sie auf einigen Tagungen und Seminaren erlebt, noch bevor sie hier auf die Insel kam.«
    »Haben Sie Frau Polwinski den Job hier auf Juist vermittelt? «
    »Wenn Sie so wollen, ja. Ich habe sie sozusagen zueinander geführt. Mehr möchte ich Ihnen dazu nicht sagen, da es meiner Pflicht zur Verschwiegenheit widerspräche. Ich hoffe nur, dass Sie nun ein wenig besser nachvollziehen können, welche Rolle Frau Polwinski in diesem Hause gespielt hat und inwiefern es das Verhalten meiner Patientin beeinflusst haben könnte.«
    Wencke schaute sich in dem riesigen Zimmer um, sie suchte nach Indizien, die diese tragische Geschichte zutage treten ließen. Sie konnte nichts finden, dieser

Weitere Kostenlose Bücher