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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Einzige, was ihn daran wirklich störte, war »Rucola«. Ronja hatte darauf bestanden, obwohl er so viel Wert darauf legte, seinen Gerichten keine italienischen Namen zu geben, er servierte schließlich nicht »Pasta«, sondern »Nudeln« oder besser noch: »Teigwaren«.
    »Kein Mensch weiß, was Rauke ist, aber alle sind wild auf Rucola«, hatte Ronja geantwortet. Sie hatte vielleicht Ahnung von den Wünschen der Gäste, aber vom Kochen verstand sie nichts. Sie hatte auch nicht akzeptiert, dass er keine Miesmuscheln kochen wollte.
    »Die Gäste wollen es nun mal. Sie meinen, auf einer Insel muss man Muscheln essen, weil sie hier frischer und besser und was-weiß-ich-was sind. Überfischung hin und Schwermetalle her, wir sind hier doch nicht bei Greenpeace.« Vielleicht hatte sie Recht gehabt mit ihren Argumenten, Thore hätte ihr in jedem Fall beigepflichtet. Sie begriffen eben nicht, worum es wirklich ging.
    »Ob da nun Rucola oder Rauke steht, Hauptsache, du lässt nichts anbrennen.«
    Noch zwei Tage. Viel schief gehen konnte eigentlich nicht mehr, die Ware war größtenteils geliefert worden, und zum Glück war seit Dienstag auch das Kühl und Gefrierhaus wieder in Betrieb. Letzte Woche hatte helle Aufregung geherrscht, als das Aggregat seinen Geist aufgegeben hatte und sie alle Hebel in Bewegung setzen mussten, um rechtzeitig vor der großen Lieferung ein neues eingebaut zu bekommen. Freitag waren dann die Spezialisten vom Festland auf den letzten Drücker gekommen, hatten alles wieder in Ordnung gebracht, und die Tiefkühlkost konnte zwischenzeitlich im Nachbarhotel gelagert werden. Drei Tage lang hatte das Gerät ruhen müssen, damit sich die Kühlflüssigkeit vom Transport regenerieren konnte. Am Dienstag dann, gerade als der Pferdeanhänger randvoll mit Frisch und Gefriergut vor dem Liefereingang Halt machte, war alles wieder funktionstüchtig gewesen. Fokke hatte sich fürchterlich aufgeregt, und es hatte ihn unendlich viele Nerven gekostet, die er eigentlich für seinen Job am Herd aufheben wollte. Doch andererseits ging im Vorfeld immer irgendetwas schief, besonders wenn es drauf ankam. Er war froh, dass alles so glimpflich verlaufen war.
    Thore kam herein. Er sah ungeheuerlich aus. Unaufgeräumt irgendwie, sein Hemd war ein Stück aus der Hose gerutscht, die Schuhe waren mit feuchtem Sand paniert, und sein Haar lag nicht so penibel wie gewohnt, eher so, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Doch das Gravierendste an seinem Erscheinungsbild war die wulstige, aufgesprungene Lippe, an der etwas getrocknetes Blut hing.
    »Fokke, komm mal mit.«
    Kurz war er versucht, seinem Stiefvater ein kaltes Lächeln zu schenken und seiner Aufforderung zu trotzen. Doch aus welchem Grund auch immer, sprang er auf und folgte Felten in den Flur. Sein Magen rebellierte gegen diese plötzliche Bewegung und gegen das Gefühl, dass etwas passiert sein musste.
    »Deine Mutter ist ausgerastet«, sagte Felten knapp. Er hatte ihn hektisch in die Nähstube geführt und direkt die Tür hinter sich geschlossen.
    »Meine Mutter rastet nicht aus. Sie ist depressiv, Thore. Was ist passiert?«
    »Weiß der Teufel. Sie hat Dr. Gronewoldt kommen lassen, gestern hat sie ihm deswegen die Hölle heiß gemacht. Und während der Sitzung ist sie ausgeflippt. Sie hat sich von ihm losgerissen und ist abgehauen.«
    »Warum losgerissen, hmm? Ich wusste nicht, dass man den Patienten bei einer Sitzung fixieren muss.«
    »Keine Ahnung, warum. Ich weiß es wirklich nicht. Ich wollte sie aufhalten, als sie wie von Sinnen die Treppen heruntergerannt kam, ich habe ruhig auf sie eingeredet, aber sie hat mich einfach umgerissen.
    Wie geisteskrank hat sie mich getreten, gekratzt und gebissen. Sieh mich an, wie diese Furie mich zugerichtet hat. Ich konnte sie nicht aufhalten…«
    Um sich zu beherrschen, verbarg Fokke sein Gesicht in den Händen, rieb mit den Fingern seine Schläfen, kniff seine Augen zusammen.
    »Wo ist sie?«, fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung. Sie war so schnell, wir haben sie nicht verfolgen können. Ich lag am Boden, und als Dr. Gronewoldt zur Tür rausrannte, war sie schon verschwunden. Wie eine Wahnsinnige…«
    Fokke fuhr herum, schaute seinen Stiefvater durchdringend an und ballte die Fäuste.
    »Dann hast du sie ja endlich so weit. Wie eine Wahnsinnige. Bist du jetzt da, wo du hinwolltest?«, schrie er.
    Felten kam auf ihn zu und griff ihn bei den Schultern. »Fokke, mein Junge. Ich war doch gar nicht dabei. Ich habe

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